„Traumprinz“ in Hamburg

■ Mord-Prozeß: Angeklagte Unternehmerin nahm keine Ratschläge an und träumte von einem gemeinsamen Leben mit einem Bekannten in Hamburg

Die Frau, die sich derzeit vor dem Bremer Landgericht wegen Mordes an ihrer elfjährigen Tochter verantworten muß, hätte „keine Ratschläge angenommen“, sagte ihr Kreditsachbearbeiter gestern vor Gericht aus. „Sie ignorierte meine Vorschläge und machte weiter wie bisher – so nach dem Titanic-Prinzip. Mit voller Beleuchtung in die Tiefe.“ Wie berichtet, gibt die 41jährige Frau an, sie hätte ihrer Tochter ein Leben in Armut ersparen wollen. Die Betriebswirtin war mit ihrem Reisebüro pleite gegangen und hatte rund 150.000 Mark Schulden bei der Bank. Im Januar – einen Tag vor dem Gang zum Sozialamt – erhängte sie ihre Tochter (siehe taz vom 8.9.). Danach versuchte sie, sich umzubringen.

Selbst ihrer besten Freundin, die gestern ebenfalls vor Gericht ausgesagt hat, erzählte die Frau nichts über ihre finanziellen Schwierigkeiten. „Ich habe wohl gemerkt, daß sie unter Druck stand, aber wir konnten nicht darüber reden“, sagte die Zeugin. Ihre Freundin habe eine „Fassade“ aufgebaut. Am Wochenende vor der Tat habe die Angeklagte einen Bekannten in Hamburg besucht. Dieser Mann sei ihr „Traumprinz“ gewesen, sagte ihre beste Freundin. Sie hätte immer von ihm geschwärmt und von einem gemeinsamen Leben mit ihm geträumt. Diese Liebe sei jedoch einseitig gewesen. Außerdem habe der Mann ein eher distanziertes Verhältnis zu der Tochter der Angeklagten gehabt. Nach dem letzten Besuch hätte die Angeklagte gesagt, sie könne sich eine Beziehung zu dem Mann vorstellen. „Wenn Du nach Hamburg ziehst, mußt Du Dir mit Deiner Tochter aber was einfallen lassen, unter einem Dach mit diesem Mann geht das nicht gut“, habe sie ihrer Freundin entgegengehalten. „Die bekommt dann ein eigenes Ein-Zimmer-Appartment“, habe die Angeklagte geantwortet. Das Ganze sei jedoch eher ein Scherz gewesen. Das Kind habe nie zwischen dem Bekannten und der Mutter gestanden, betonte die Freundin auf Nachfrage. Die Angeklagte hätte „ein sehr, sehr gutes Verhältnis“ zu ihrer Tochter gehabt. „Ich habe das als symbiotisch erfahren.“

Diese Version wurde von dem Bekannten aus Hamburg bestätigt. Für ihn sei die Beziehung eine „sehr gute Freundschaft“ gewesen, nicht mehr. Das Kind hätte „keineswegs“ zwischen ihnen gestanden. An ein gemeinsames Leben hätte er nie gedacht.

Der Prozeß wird fortgesetzt. kes