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Zahnärzte gehen in den Ausstand

■ Mit Zahnweh zum Notdienst: Am Freitag machen viele Bremer Praxen dicht weil die Gewinnmarge nicht stimmt / Zahnärzte wollen PatientInnen dafür „sensibilisieren“

Wer in Bremen am kommenden Freitag Zahnschmerzen bekommt, wird auf den Hauszahnarzt kaum rechnen können. Das gilt auch für PatientInnen in Hamburg und manchen Städten Niedersachsens. Der offizielle Grund ist der von den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ausgerufene „Sparkassentag“; der erste Zahnarztausstand in Bremen seit es das „Budget“ gibt, das die Ausgaben der Krankenkassen für bestimmte ärztliche Leistungen begrenzt. Vor sechs Jahren wurde es eingeführt; seither sind die Versicherungsbeiräge weitgehend stabil geblieben.

Ärzte kritisieren das Verfahren schon lange. Denn wenn die Budget-Obergrenze erreicht ist, fließt kein Geld mehr. Die Folge ist ein rechnerischer Preisverfall. „Es kann nicht sein, daß wir unbegrenzt behandeln sollen, aber nur begrenzt dafür bezahlt werden“, sagt der Präsident der Bremer Zahnärztekammer, Peter Boehme. „Für diese Mißstände wollen wir die Bevölkerung sensibilisieren“, betont auch der Vorsitzende des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, Gerd Knauerhase. „Im Interesse der Kranken.“ Denn wo gespart wird, müßten PatientInnen leiden.

Ob es der Bremer Zahnärzteschaft allerdings gelingen wird, die Bevölkerung zu „sensibilisieren“, muß sich zeigen. Denn würde die kritisierte Ausgabendeckelung abgeschafft, ginge dies zu Lasten der Kranken. Das ist jedenfalls den Vorschlägen der Ärztevertreter zu entnehmen, die „nach schwedischem oder höllandischem Vorbild“ PatientInnen mit den Kosten für Bagatelleistungen belasten wollen. „Das wäre auch im Sinne der Beitragsstabilität.“

„Beitragsneutral“ könnten sich Kranke beispielsweise an der Parodontosebehandlung beteiligen. Zugleich „ein echter Anreiz zum Mitmachen – und nur das bringt Erfolg“. Auch das Zahnziehen für 14 Mark, die Zahnoperation für 80 oder das Zahnsteinentfernen für 24 Mark könnten unter die Selbstzahlerrubrik fallen. „Wenn das bisherige System nicht abgeschafft wird“, so die ärztliche Warnung, „dann kommt es zum Crash.“ Das ist die Behandlung im Schnellverfahren, bankrotte Zahnärzte und entlassene HelferInnen. Zwar hat das Bremer Arbeitsamt dafür noch keine Indizien. Doch nach Auskunft der Kammer sparen die 420 Bremer ZahnärztInnen in 330 Praxen bereits an der Ausbildung: „Statt bisher 140 Azubis gibt es in diesem Jahr nur 106.“ „Die Zitrone Zahnarztpraxis ist ausgequetscht“, sagt auch der Osterholzer Zahnarzt Dirk Mittermeier. Seine Kollegen stehen unterdessen mit dem Rücken an der Wand. „Bei der Zahnbehandlung geht es ja nicht um Leben und Tod. Es geht um Lebensqualität.“ Krankenkassenvertreter, die öffentlich das Feuer nicht anfachen wollen, sagen dagegen: „Es geht ums Geld.“

Offiziellen Angaben zufolge macht ein deutscher Zahnarzt einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 175.000 Mark vor Steuern, d.h. MitarbeiterInnen und Betriebskosten sind bereits bezahlt; bleiben die Alters- und Sozialvorsorge und der Lebensunterhalt. Als schwierig gilt die Lage jüngerer Ärzte; 80 in Bremen, die oft eine halbe Million für die Praxisübernahme abzahlen müssen – und zugleich mit niedrigem Budget veranschlagt werden.

„Aber brisant ist das Thema für alle. Das beweist die Protestbereitschaft unter den Ärzten“, so Boehne. Er erwartet, daß am Freitag 70 Prozent der Zahnarztpraxen dicht bleiben. PatientInnen bleibt der Notdienst unter Tel.: 22 00 799 . ede

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