piwik no script img

Notfalls ohne Berlin entscheiden

Der Förderverein für ein Holocaust-Mahnmal dringt auf ein schnelles Votum des Bundestages. Über den Entwurf sollen aber die drei Auslober entscheiden  ■ Aus Berlin Dorothee Winden

Der Förderverein für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin dringt auf ein Votum des Bundestages. Das neugewählte Parlament müsse in einer seiner ersten Sitzungen eine Grundsatzentscheidung für den Bau des Denkmals am dafür vorgesehenen Standort südlich des Brandenburger Tores treffen, erklärte gestern Lea Rosh, Vorstandsmitglied des Fördervereins.

Der Bundestag solle auch den Zeitrahmen für den Bau des Mahnmals abstecken, das nach Vorstellung des Förderkreises bis zum Jahr 2000 fertiggestellt werden soll. Das Parlament solle aber nicht über den zu realisierenden Entwurf entscheiden. Dies bleibe Angelegenheit der drei Auslober – Bund, Land Berlin und Förderkreis. Sie müßten sich nach dem Votum des Bundestages für einen der drei verbliebenen Entwürfe des Wettbewerbs entscheiden, so Rosh.

Der Förderkreis favorisiert den überarbeiteten Entwurf des US- Architekten Peter Eisenman. Dessen begehbares Labyrinth aus 2.700 Stelen stößt allerdings in Teilen der Berliner CDU und vereinzelt auch in der SPD auf Kritik, weil dies als zu monumental empfunden wird. Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, hatte sich gegen den Eisenman-Entwurf ausgesprochen. „Notfalls“, so Lea Rosh, könnte die Entscheidung auch gegen das Votum des Berliner Senats fallen. Es gebe zwar eine Vereinbarung, einvernehmlich über einen Entwurf zu beschließen, und dies sei durchaus wünschenswert, aber nicht vertraglich festgelegt.

Sie plädierte für eine namentliche Abstimmung ohne Fraktionszwang im Bundestag, so wie es auch schon bei den Abstimmungen über die Reichstagsverhüllung durch Christo und den Berlin-Umzug praktiziert worden sei. „Nach zehn Jahren der Diskussion ist die Zeit des Handelns gekommen“, meinte Rosh.

Auch der Ort für das Denkmal nahe dem Brandenburger Tor stehe seit langem fest. Für den von ihr als unwahrscheinlich bezeichneten Fall, daß sich der Bundestag mehrheitlich gegen ein Denkmal entscheiden sollte, sagte Rosh: „Dann müßten wir zur Kenntnis nehmen, daß die Deutschen ein solches Denkmal nicht wollen. Dann wäre das Projekt erledigt, denn wir können darüber ja keine Volksbefragung veranstalten.“

Im Hinblick auf die Haltung des SPD-Kanzlerkandidates Gerhard Schröder, der sich skeptisch zu einem Holocaust-Mahnmal geäußert hatte, erklärte Rosh, sie könne sich nicht vorstellen, daß ein Bundeskanzler das Votum des Bundestags ignorieren könne.

Nach Auffassung des Präsidenten des Amercian Jewish Commitee, Bruce Ramer, muß das Holocaust-Mahnmal zügig nach der Bundestagswahl errichtet werden. „Die Debatte um das Denkmal kann und sollte nicht ewig weitergehen“, sagte Ramer. Er bezeichnete eine zentrale Gedenkstätte als absolute Notwendigkeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen