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„Sehr verärgert“

■ PUA-Filz: Wie Senatorinnen-Gatte die Martha-Stiftung übern Tisch zog

„Bis heute“ ist Gerd Müssig (66), Vorstandsvorsitzender der Martha-Stiftung, „sehr verärgert“. Nicht allein darüber, daß auf Intervention der Ex-Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) die Stiftung ihres Gatten den Millionenauftrag von nassen Alkoholikern bekam. Sondern vor allem deshalb, weil Senatorinnen-Gatte Peter Fischer, Geschäftsführer der Alida-Schmidt-Stiftung, ihn über den Tisch gezogen habe.

Müssig berichtete gestern dem Filz-Untersuchungsausschuß, daß die beiden in finanzielle Not geratenen Stiftungen sich die 25 Vorsorgeplätze teilen wollten. So hatte es Peter Fischer mit Klaus Wicht, Geschäftsführer der Martha-Stiftung, vereinbart. Doch Fischer hielt sich nicht daran, sondern beantragte den gesamten Kuchen. Die Behörde, die sich unter drei Bewerbern den preisgünstigsten und konzeptionell besten raussuchen wollte, dürfte von dieser Absprache nichts gewußt haben. Den fachlich bevorzugten Träger, die Guttempler, hatte die Senatorin mit der Vorgabe aus dem Rennen gekippt, es kämen nur Hamburger Einrichtungen in Frage.

Der Zeuge Müssig klagte zudem, daß die Behörde keine klaren Vorgaben für den Auftrag gemacht habe. Überhaupt sei der Dialog mit den zuständigen Stellen sehr „zähflüssig“. Und weil das so sei, habe die Martha-Stiftung zunächst zehn „Krisenbetten“ beantragt. Denn was die Behörde genau wollte, sei zu keinem Zeitpunkt klar gewesen.

Bei einigen Ausschußmitgliedern löste diese Aussage Verwunderung aus. Denn Krisenbetten für Alkoholiker, die entgiften wollen, müßten eigentlich die Krankenkassen zahlen. Darüber hinaus war bereits seit der Senatsdrucksache „Handlungskonzept St. Georg“ bekannt, daß die Stadt niedrigschwellige Angebote für verelendete Alkoholiker schaffen wollte.

Wicht klagte zudem, daß die Behörde sich für die Notlage der Martha-Stiftung nicht interessiert habe. Wegen Gesetzesänderungen lag 1997 der gesamte Bereich Nachsorge darnieder. Wicht war damals Mitglied der SPD. Inzwischen ist er ausgetreten. Silke Mertins

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