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Das „Kleine-Schritte-Programm“

■ Die neue Frauenbeauftragte im Bremer Arbeitsamt leistet kräftig Überzeugungsarbeit / Eigene Entscheidungen gibt es nicht

„Hatschi“ macht Maria Wöhlmann und schiebt sich einen Hustenbonbon in den Mund. „Muß wohl das Wetter sein“, sagt die Frau, die hinter ihrem Schreibtisch sitzt und über die „vielen Termine“ klagt, die sie bislang bewältigt hat. Seit einem halben Jahr nämlich ist ihr Terminkalender vollgepackt. Behördenmappen liegen auf dem Tisch neben dem Computer. Mitte Februar stand hier nur ein Telefon – sonst gar nichts. Das war der erste Arbeitstag von Maria Wöhlmann – als neue „Beauftragte für Frauenbelange“ im Bremer Arbeitsamt.

Seit Anfang des Jahres widmen sich in allen Arbeitsämtern Frauenbeauftrage der „gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsplatz“ (vgl. Kasten). Der Arbeitsamtsbezirk Bremen-Niedersachsen ist seitdem der Wirkungskreis von Maria Wöhlmann. „Dazu gehört die Stadt Bremen und auch noch der ganze Kreis Osterholz-Scharmbeck“, stöhnt die 36jährige, die trotz heftiger Erkältung nicht krankmacht, weil sie eine wichtige Sitzung hat. Überhaupt hat sie schon viel gesessen und geredet in den letzten Monaten – mit Fraueninitiativen, Beschäftigungsträgern und Leuten im Arbeitsamt. Weil sie „quasi der Mittler ist zwischen der Welt draußen und dem Amt“, erklärt sie ihre Aufgabe, die neben vielen anderen folgendes Ziel hat: herauszufinden, welche Probleme die Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt. Und was das Arbeitsamt dagegen tun kann.

Laut Statistik sind in Bremen rund 40 Prozent aller Arbeitslosen Frauen, ebenso groß ist ihr Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Außerdem arbeiten immer mehr auf Teilzeit und in Billigjobs: Mittlerweile sind zwei Drittel aller geringfügig Beschäftigten Frauen. Doch trotz all dieser schlechten Zahlen sind sie bei beschäftigungspolitischen Maßnahmen deutlich unterrepräsentiert: Nur 37,2 Prozent der ABM-Stellen sind von Frauen besetzt. Bei Fortbildungen und Umschulungen mit 47,2 Prozent sieht es da schon besser aus: „Da ist bereits viel getan worden“, lobt Wöhlmann deshalb ihre Kollegen, die ihr „alle sehr wohlgesonnen sind.“

Schließlich kennt sie viele von ihnen schon seit langem: Maria Wöhlmann ist seit fast 14 Jahren im Bremer Arbeitsamt, erst als Sachbearbeiterin und dann mit einem Karrieresprung als Gruppenleiterin in der Leistungsabteilung. Bis sie von der neuen Stelle der Frauenbeauftragten hörte und sich bewarb – „weil ich Frauenthemen wichtig und interessant finde.“ Und weil „es einfach ein neues Arbeitsfeld ist, das ich selber gestalten kann.“ Und das tut sie auch – trotz mancher Unkenrufe aus dem frauenbewegten Lager, das offenbar Probleme damit hat, mit Maria Wöhlmann keine frauenpolitisch hochsozialisierte Frau am Start zu haben. „Ich kann nachvollziehen, wie sich Frauen fühlen, die Umbrüche erleben“, sagt sie trotzdem selbstbewußt – und ihr „Herzenswunsch“ ist es, genau für diese Klientel möglichst viel zu erreichen.

Zum Beispiel im ABM-Bereich: „Da muß etwas geschehen“, sagt sie – und kooperiert dafür mit dem Verband Bremer Beschäftigungsträger. Aber auch bei den Migrantinnen – und bei den Frauen, die ein- bis dreijährige Kinder haben. „Da müßte man neue Modelle der Kinderbetreuung organisieren“, sagt sie. Fünf „ganze neue Projekte“ hat sie auch schon im Arbeitsamt angeleiert, „aber das ist noch nicht ganz durch und deshalb verrate ich noch nichts.“ Nur eines gesteht sie offen zu: „Ich habe Probleme damit, daß ich im Grunde gar nichts entscheiden darf.“ Denn eben jene sogenannte „Weisungsbefugnisse“, die dazu nötig wären, stehen den neuen Frauenbeauftragten bundesweit nicht zu.

Und so muß Maria Wöhlmann bei Fach- und Führungskräften im Arbeitsamt weiter Monat für Monat Überzeugungsarbeit leisten. Wie auch in ganz Bremen, bei Parteien, Firmen, Fraueninitiativen und ganz normalen Frauen, die sich bei ihr individuell beraten lassen können. „Mein Hauptanliegen ist die allumfassende Beratung in Frauenfragen“, sagt sie. „Ich kann nur immer wieder sensibilisieren.“ Deshalb bezeichnet sie ihre Arbeit auch als ein „Kleine-Schritte-Programm“ – aber dabei steckt jeder neue Tag voller Gesprächstermine und Überzeugungsarbeit. Katja Ubben

Die Frauenbeauftragte ist zu erreichen unter Tel.: 1781122.

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