: Verschmähte Laiber
Rettet das Pausenbrot, fordert die AG für Gesundheitsförderung. Gerne, sagen Senat und Bäckereien – doch Schüler essen lieber Chips ■ Von Judith Weber
Brot hat ein Imageproblem. Verglichen mit Nougatberlinern und peppig verpackten Schokoriegeln sind die verkrusteten Laiber ganz klar die Großväter unter den Lebensmitteln – weshalb sie jungen HamburgerInnen immer seltener unters Messer kommen. „Unsere traditionelle Kundschaft besteht aus 30- bis 40jährigen. Die Jüngeren ernähren sich anders“, bedauert Gerhard Maack, Geschäftsführer der Bäckerkette „Nur Hier“.
Um dem abzuhelfen, hat sein Betrieb gemeinsam mit der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG) eine Kampagne namens „Rettet das Pausenbrot“ gestartet: Eine Broschüre plus Holzofengebäck und Schneidebrett werden in den kommenden zwei Wochen an 624 Grundschulklassen in Hamburg verteilt – oft von einem Mann im Katzenkostüm, dessen Aufgabe es ist, als Zauberkater „Schnurrhier“ die imaginäre Schokoriegelbande von den Schulhöfen zu vertreiben. Seine Botschaft: Brot ist weder altbacken noch eklig, und es macht fit, im Gegensatz zu Süßigkeiten. „Spielerisch und ohne erhobenen Zeigefinger lernen“, nennen die InitiatorInnen das.
Rund 1500 Erst- bis ViertkläßlerInnen kommen so zu kostenlosen Butterstullen – für viele von ihnen wird es die erste Mahlzeit am Tag sein. Bei Kindern ist der Brotverzicht nämlich besonders kraß. Rund ein Drittel kommt ohne Frühstück in den Unterricht; viele haben keinen Proviant dabei, bedauert Margrit Schlankardt, Geschäftsführerin der HAG. „Und wenn Kinder statt dessen Geld in der Tasche haben, kaufen sie Kuchen, Chips oder Müsliriegel.“
Aber Brot essen kann man lernen. „In appetitlicher Atmosphäre“ ist es gar nicht so schwer“, weiß die Lehrerin Anna Kolbe – besonders, wenn alle anderen es auch tun. „Das Frühstück muß in der Schule zu einem Ritual werden“, fordert die „Expertin zum Thema gemeinsames Pausenfrühstück“. Sie empfiehlt: Hefte und Stifte vom Tisch und Jausenpakete drauf. Wer nichts dabei hat, kann sich an einer klasseneigenen Müslibar bedienen, und das jeden Morgen. Nur durch „tägliches Thematisieren“, so Kolbe, sichere man den Schnittchen einen Platz im Kinderleben.
Das Maskottchen der Aktion wirkt in diesem Punkt eher kontraproduktiv. Als Zauberkater Schnurrhier gestern in der 3c der Schule Friedrichstraße seinen ersten Auftritt hatte, stahl der dem mehligen Laib Brot im Präsentkorb locker die Schau. Kinderhände gruben oder bohrten sich in das Stoffkostüm, während andere sich eine kostenlose Brotdose bunkerten. Und der Ehrgeiz der meisten DrittkläßlerInnen lag nicht im Zusammenstellen eines perfekten Frühstücks, sondern im Raten, welcher Lehrer wohl in dem Katzenkostüm stecken möge.
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