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Werder Bremen, bis endlich der Arzt kommt

■ Ein psycho-sportiver Hilferuf aus gegebenem Anlaß: DFB-Pokal-Spiel Werder-Rostock 3:2

„Manisch-depressives Irresein (manisch-melancholische Krankheit, zirkuläres Irresein) gilt als eigentl. Gemütskrankheit und ist durch Phasen von Depression oder Manie charakterisiert (periodisches Irresein).“ Großer Brockhaus

Lieber Herr Doktor, ich mache mir Sorgen. Um die Meinen, um mich selbst, ach, und auch um den heimischen kleinen Fußballverein. Wir, also meine Freunde und ich, sind nämlich Anhänger eben dieses heimischen Fußballvereins. Und nun befürchte ich, daß wir, also wir und die Fußballspieler, allesamt manisch-depressiv irre werden. Oder wie man das nennt. Oder sind wir's schon?

Es ist nämlich so, daß die Spieler von unserem Verein komplett durcheinander spielen. Mal manisch, mal depressiv, mal alles gleichzeitig. Wer soll sich da noch auskennen? Neulich zum Beispiel haben sie gegen Leverkusen nach einer ganz langen depressiven Phase erst ganz schön Fußball gespielt, irgendwie ziemlich manisch, dann haben sie aber in der allerallerletzten Minute ein Tor kassiert. Danach waren sie wieder so depressiv, daß es ein paar Tage später in Norwegen ganz furchtbar war. Dann in Wolfsburg waren sie 45 Minuten schon wieder voll manisch – aber die 45 Minuten danach wieder dermaßen depressiv. Und dann am Dienstag: Da stürmen die eine Halbzeit lang aufs Rostocker Tor. Der Frings, der Maximov, Dieter und Marco – alle können sie's machen. Aber was passiert? Drüber, vorbei, gehalten – alles versemmelt. Und wir? Manisch bis zum Abwinken. Der eine kriegt ganz hektische rote Flecken. Der nächste krakeelt wie angestochen „Paß auf! Die vergeigen das noch!“ Und der Dritte – also ich – haut sich permanent mit der flachen Hand vor die Stirn. Sagen Sie selbst: Ist das noch normal?

Und in der zweiten Halbzeit dann, endlich, wurschtelt sich der Trares (der war eh supergut) irgendwie durch drei Rostocker durch, fällt hin, berappelt sich wieder und haut denen ein Ding rein – hossa! Dann der Maximov und dann der Frey mit dem Kopf – dreimal hossa! und wir sind schon ganz manisch beduselt, aber irgendwie auch ganz verspannt. Erfahrung! Und zack, dann passiert's auch. Dann fangen die sich wieder zwei Lallitore ein, dann haben sie wieder den Schiß in der Hose, quasi depressiv eben. Und das Ende vom Lied: Wir verfallen auch wieder in Depressionen, obwohl sie, also auch wir, 3:2 gewonnen haben. Weil, am Samstag kommen die Bayern.

Jedenfalls, das geht nun schon das dritte Jahr so, aber lange geht das nicht mehr gut. Kann gar nicht. Weil das mit dem Krakeelen und den hektischen Flecken und dem Selbstverhauen immer schlimmer wird. Wir sind Fans eines abstiegsgefährdeten Europapokalteilnehmers, und im DFB-Pokal sind sie jetzt auch weiter. Das heißt also: Zweimal die Woche Wahnsinn, oder eben periodisches Irresein. Arggh!

Lieber Herr Doktor, Hilfeee! Ihr

Jochen Grabler

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