: Na sdarowje, inflazija! Na sdarowje!
■ Rußlands Premierminister Primakow kündigt neue Wirtschaftspolitik an: Die Gelddruckmaschine wird angeworfen, Hyperinflation achselzuckend in Kauf genommen und das Wodkamonopol des Staates wiederhergestellt
Moskau (taz/dpa/AFP) – Alle Welt wartete auf die Tricks, mit denen die Regierung in Moskau die derzeitige Lähmung Rußlands überwinden will. Gestern gab Premier Primakow endlich einen Teil der Maßnahmen bekannt. Am meisten überrascht haben dürfte er die Trinker im Land: Ab Oktober werde das Staatsmonopol auf Produktion und Vertrieb von Alkohol wiederhergestellt, sagte der Regierungschef. Das sei keine Verstaatlichung, sondern effektivere staatliche Kontrolle. Er hofft auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von 15 Milliarden Rubel.
Die Schnapsmilliarden reichen natürlich bei weitem nicht aus. Schließlich will Primakow umgehend die ausstehenden Löhne der Staatsdiener überweisen – das wären bis zu 85 Milliarden Rubel (derzeit etwa 10 Milliarden Mark). Ab 1999 soll die Höhe der Löhne dann an die Inflation im Land gebunden werden. Damit kämen weitere unkalkulierbare Ausgaben auf die Staatskasse zu: Erst gestern korrigierte die russische Notenbank ihre Schätzungen für die Inflation in diesem Jahr drastisch nach oben – von 5,7 auf 240 bis 290 Prozent.
Die Experten der Zentralbank empfahlen bereits, in einer ersten Runde 40 bis 50 Milliarden Rubel neu zu drucken. Zentralbankchef Wiktor Geraschtschenko betonte jedoch, er habe bislang keine Anweisung zum Anwerfen der Notenpresse gegeben. Das Gesetz lasse die Finanzierung des Staatshaushaltes durch die Zentralbank eigentlich nicht zu.
Der Zentralbankchef drohte westlichen Banken, die sich beim Umschuldungsproblem „widerspenstig“ zeigten, unverhüllt: Dann gingen sie leer aus. Das wiederum brachte den IWF auf die Palme: „Um kreditwürdig zu werden, müssen die Russen sich gegenüber ihren Gläubigern zivilisiert verhalten“, sagte ein führender IWF-Manager. Dem Vorhaben der Zentralbank, die Notenpresse heißlaufen zu lassen, steht der IWF ausgesprochen kritisch gegenüber. rem Tagesthema Seite 3
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