: Eine „etwas luschige“ Zeugin
■ Sechs Monate Gefängnis für 31jährigen Fotografen, der seine ehemalige Freundin mit dem Fahrrad überfahren wollte
Wochenlang hing sein Steckbrief an Mauern und Laternen in Altona, auf St. Pauli und im Schanzenviertel. „Vergewaltiger und Schläger“ stand darauf; ein Schwarzweiß-Bild zeigte Ingo W. im Profil, eine Aufnahme, wie die Polizei sie von Straftätern macht. „Als ich die Steckbriefe gesehen habe, bin ich fast hinten übergekippt“, sagt Claudia P., die bis vor drei Jahren mit dem Schwager des Schauspielers Uwe O. liiert war. Nicht, daß es ihr leid täte um den Mann, der sie geschlagen, gewürgt und bedroht hat. Aber „sowas würde ich nie aufhängen“. Statt dessen zog Claudia P. gestern zum dritten Mal gegen ihren Ex-Freund vor Gericht – zum dritten Mal erfolgreich.
Weil Ingo W. am 24. September 1997 versucht hat, sie mit dem Fahrrad zu überfahren, muß der Fotograf für ein halbes Jahr ins Gefängnis. „Das werde ich jetzt jeden Tag machen“, brüllte der 31jährige, der gerade acht Monate wegen Körperverletzung abgesessen hat, als er auf P. zuhielt. Die versuchte, die Kinderkarre mit ihrer gemeinsamen Tochter in Sicherheit zu bringen.
Daß die Tat sich so zugetragen hat, glaubten gestern jedenfalls Richter und Staatsanwalt. „Das hat meine Ex-Freundin sich aus den Fingern gesogen“, beharrte dagegen Ingo W. Schließlich sei die 38jährige Schauspielerin, und ihre Zeugin sei „eine alte Familienfeindin“, die es darauf abgesehen habe, „mir eins auszuwischen“.
Das Wandsbeker Amtsgericht konnte W. mit diesen Vorwürfen nicht überzeugen. Seiner Bekannten Sanja B., die beschworen hatte, daß er am Tag der Tat mit ihr zusammen war, droht ein Verfahren wegen Meineids. Ihre Behauptung, sie könne sich zwar nicht genau an den 24. September erinnern, sei aber zehn Tage lang ununterbrochen bei W. gewesen, fand der Staatsanwalt „eher schwach“ – mal abgesehen von den Widersprüchen, in die sie sich verstrickte.
„Ich bin etwas luschig, tut mir leid“, erklärte die 28jährige zerknirscht, als der Richter sie auf eine schriftliche Erklärung hinwies, in der die Studentin angab, daß sie den „24. November 1997“ mit W. verbracht habe. Der Tattag war aber genau zwei Monate zuvor gewesen. Judith Weber
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