: Der Schröpfschnepper als Allheilmittel
■ Das Medizinhistorische Museum in Kiel zeigt heilende Exponate seit der Antike
Eine Zeichnung in einer Höhle aus der Steinzeit verrät: Schon die Altvorderen kannten die Trepanation, die Öffnung der Schädeldecke aus medizinischen Gründen. Schädelbohrer aus dem Mittelalter, 200 Jahre alte Stichsägen zur Knochendurchtrennung oder das „Herbarium“, ein Kräuterbuch von Hermannus Capueel aus dem Jahr 1684, das alles bietet sich dem Besucher der Kieler Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung mit über 10.000 Ausstellungsstücken.
Den Grundstock für den Aufbau des erst ein Jahr alten Museums lieferte eine Schenkung aus Schweizer Privatbesitz. Prof. Jörn Henning Wolf, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin und der Pharmazie an der Kieler Universität, holte sie 1987 nach Kiel. Kontinuierlich wurde die Sammlung ausgebaut. Der Fundus reicht inzwischen von der Antike bis zur heutigen Zeit.
Neben Ahnenmasken aus der afrikanischen Heilkunde finden sich Spritzen und Klistiere – „ein Universaltherapeutikum der vergangenen Jahrhunderte“, wie der als wissenschaftliche Hilfskraft arbeitende Student Andre Schindler bemerkt: „Ob Kopfschmerzen oder Verstopfung – ein Klistier wurde immer verwendet.“ Ein Schröpfschnepper, der die Haut aufritzt, um darauf anschließend die Schröpfgläser zu setzen, gehört ebenfalls zu den früheren Allheilmitteln. Der „Gallsche Schädel“ zeigt die Vorstellungen der Heilkundler aus dem 18. Jahrhundert über das, was im Gehirn wo vor sich gehen soll: So sollte beispielsweise die vordere Hirnpartie über der Nase die „Erziehungsfähigkeit“ beinhalten, während im hinteren Hirnbereich „Raufsinn“ vermutet wurde.
Fast originalgetreu kann der Besucher die vollständige „Kgl. Priv. Apotheke Krempe“ mit pharmazeutischen Geräten aus dem 18. bis 20. Jahrhundert bewundern. „Wir legen Wert darauf, daß alle Geräte möglichst funktionsfähig sind“, sagt Schindler.
Für alle Objekte ist kein Platz. So müssen die ersten Röntgengeräte oder die „Eiserne Lunge“ mit einem Platz im Keller des Museums vorlieb nehmen. Auch das mit Sektionstisch, Obduktionsbesteck und Demonstrationspräparaten ausgestattete pathologisch-anatomische Kabinett ist schwer zu finden. Für empfindliche Typen vielleicht ganz gut so. Volker Mienkus
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