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Sabotage, nicht wahr

■ DVU: Hamburgs Verfassungsgericht soll Bürgerschaftswahl für ungültig erklären

Heinrich Gerlach ist ein Mann, der sich stets und überall benachteiligt fühlt. Die Medien würden seine Partei ignorieren, beschwerte er sich vor der Hamburger Bürgerschaftswahl 1997, „Terroristen“ hätten seinen Wahlkampf sabotiert, hieß es danach. Und selbst vor dem Hamburger Verfassungsgericht jammert er noch über die schlechte Akkustik an seinem Platz, als der Vorsitzende Wilhelm Rapp das Mikrofon längst gerichtet hat.

Dann darf der Hamburger Vorsitzende der Deutschen Volksunion (DVU) endlich vortragen, was ihm auf dem Herzen liegt. „Kein Werbeschild, nicht wahr, stand länger als drei Stunden, nicht wahr“, redet er sich in Rage. Durch das Zerstören der Wahlwerbetafeln habe die DVU ihren „verfassungsmäßigen Anspruch auf die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes“ nicht ausüben können, nicht wahr? Und deshalb müsse die Wahl rückwirkend für ungültig erklärt werden.

Mit diesem Ansinnen ist Gerlach vor das Verfassungsgericht gezogen, das am Freitag über die Wahlanfechtung verhandelte. Der Bundesvorsitzende der DVU, der Münchner Verleger Gerhard Frey, hat seinen Sohn geschickt, den er ebenfalls auf den Namen Gerhard getauft hat. Und Gerhard Frey Junior findet, daß das, was im Wahlkampf in Hamburg losgewesen sei, das „Maximum dessen ist, was in einer mitteleuropäischen Demokratie geschehen kann“. Auf seine Fragen bekommt der vorsitzende Richter meist die Antwort, daß die DVU den Einzug ins Parlament nur um 190 Stimmen verfehlt habe, daß das knapp sei und angesichts zahlreicher Wahlfehler keinen Bestand haben könne.

Es ist eine ganze Latte an Punkten, welche die DVU moniert. Wahlhelfer sollen Stimmen falsch ausgezählt, einzelne Lokale zu spät geöffnet und dann bewußt DVU-Stimmen ungültig gemacht haben. Außerdem, ereifert sich Gerlach, hätte das Landeswahlamt die „Anarchistische Pogopartei“ nicht zulassen dürfen, denn die habe außer „saufen“ kein Programm – was der eigens geladene Landeswahlleiter Wolfgang Prill bestreitet.

Sollte die DVU mit ihrer Wahlanfechtung Erfolg haben, müßte zum zweiten Mal nach 1993 eine Bürgerschaftswahl wiederholt werden. Das Urteil wird für den 13. November erwartet. Elke Spanner

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