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„Die menschliche Seite ist nicht die Ebene der Entscheidung“

■ Bausubstanz vergammeln lassen: Den historischen Landarbeiterhäusern in Wohldorf droht nun der Abriß

Alte Baumalleen, Kopfsteinpflaster, die aus dem 18. Jahrhundert stammende Kupfermühle und ein Herrenhaus gleichen Alters prägen das ländliche Bild von Wohldorf im äußersten Norden Hamburgs – und eine Reihe von Landarbeiterhäusern. Nun aber droht den Fachwerkhäusern am Westrand des Naturschutzgebietes Duvenstedter Brook der Abriß, „wenn die Finanzbehörde keine Mittel zur Verfügung stellt, um die Häuser instandzusetzen“, wie Gerd Denker vom Bürgerverein Wohldorf berichtet.

Wilma Böttcher lebt seit 25 Jahren in Wohldorf und hat dort auf 50 Quadratmetern ihre fünf Kinder großgezogen. Ihr Mann Helmut hat 19 Jahre auf Gut Wohldorf in der Viehwirtschaft gearbeitet und bezieht eine Rente von 1700 Mark im Monat. Ein Teil der Miete gehörte früher zum sogenannten Deputat, das jeder Landarbeiter neben seinem Lohn in Naturalien erhielt.

Inmitten von Wiesen und Weihern prangen derzeit Transparente an den Fachwerkgiebeln: „Diese Häuser bleiben stehen, weil wir nicht aus Wohldorf gehen“ oder „Kultur erhalten, statt kaputt verwalten“. Die Transparente sind eine Aktion der Bürgerinitiative, die der Bürgerverein Wohldorf zusammen mit den Bewohnern der Landarbeiterhäuser gestartet hat.

Seit 1994 stehen die Häuser unter der Verwaltung der stadteigenen Sprinkenhof AG. Der letzte Pächter des Gutes Wohldorf, zu dem die Landarbeiterhäuser bis 1994 gehörten, war seit den 50er Jahren der Unternehmer und Mäzen Alfred Töpfer. „Jahrzehntelang sind notwendige Reparaturarbeiten nicht ausgeführt worden, man hat das Fachwerk regelrecht vergammeln lassen“, kritisiert Denker.

Noch im Mai 1994 forderte das zuständige Bezirksamt Wandsbek, Schäden durch Hausbock und Porenschwamm zu beheben. Es sollte „sofort ein Fachunternehmen mit der Bekämpfung und Schadensbeseitigung“ beauftragt werden, sonst würde Zwang ausgeübt, hieß es. Von diesen Maßnahmen haben die Bewohner der Landarbeiterhäuser jedoch nach eigenen Angaben nie etwas gesehen. „Der schlechte Zustand der Häuser ist nun Grund dafür, daß eine Sanierung unwirtschaftlich ist“, sagt Denker.

„Ich sehe keine Möglichkeit, eine Erhaltung durch Unterschutzstellung durchzusetzen, da über 50 Prozent der Bausubstanz ausgetauscht werden müßten“, erklärt Volker Konerding vom Denkmalschutzamt Hamburg. „Die Landarbeiterhäuser, die sich im Gutszusammenhang mit einer liebevollen Sozialstruktur entwickelt haben, haben schon eine gewisse Einzigartigkeit. Aber die ganze menschliche Seite ist nicht die Ebene, auf der entschieden wird.“

Im Dezember 1997 bot Sprinkenhof den Bewohnern Häuser und Grundstücke an, für 270.000 Mark bei Kauf oder 13.400 Mark Erbpacht jährlich. „Wer in der Landwirtschaft ist denn zum Millionär geworden, daß er sich das leisten kann“, sagt Wilma Böttcher.

Wolfgang Schultz, stellvertretender Bezirksamtsleiter in Wandsbek, bedauert: „Zielsetzung ist der Erhalt der Häuser, aber bei einem sehr schlechten Zustand sieht es für eine Sanierung nicht ganz so gut aus.“ Den Abriß bezeichnete er allerdings als letzte Möglichkeit. Mit einer Entscheidung sei spätestens bis Ende des Jahres zu rechnen. Derzeit würden neue Gutachten erstellt. Karin Eichstädt

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