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Ein Punktsieg für Schröder

Schröder hat entschieden: Rudolf Scharping wird nicht SPD-Fraktionsvorsitzender. Er wird die Bundeswehr befehligen. Oskar Lafontaine mußte eine Schlappe einstecken  ■ Von Markus Franz

Nun hat der treue Parteisoldat Rudolf Scharping also doch nachgegeben. Gegen seinen Willen muß sich der Ungediente damit begnügen, Verteidigungsminister zu werden, statt Fraktionsvorsitzender zu bleiben. Die SPD kann aufatmen. Der Führungsstreit ist erst einmal durch eine relativ elegante Lösung in einer verfahren erscheinenden Situation beendet. Weder Scharping noch Parteichef Oskar Lafontaine haben sich durchgesetzt. Sieger ist der künftige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der einen überraschenden Kompromiß präsentierte.

Vorsichtshalber hatte sich Scharping immer ein Hintertürchen offengehalten, um dem Gesichtsverlust vorzubeugen. Schon vor Monaten sagte er, möglicherweise werde die SPD keinen anderen als ihn für das Amt des Verteidigungsministers finden. Dann müsse er eben doch ran. Scharping ist offenbar ein Opfer des bisherigen Personaltableaus geworden. Die Führungsspitze der SPD wollte verhindern, daß mit Joschka Fischer als Außenminister, Otto Schily als Innenminister und Günter Verheugen als Verteidigungsminister, ein Grüner, ein ehemaliger Grüner und ein ehemaliger Liberaler drei der Kernressorts übernehmen. Scharping kann sich nun damit trösten, daß die SPD einen starken Sozialdemokraten als Gegengewicht zum Außenpolitiker Fischer brauchte.

Gestern morgen hatte alles noch ganz anders ausgesehen, nachdem Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering im WDR seinen Verzicht auf den Fraktionsvorsitz bekanntgegeben hatte. Müntefering hatte schon zuvor betont, daß er nicht gegen Scharping kandidieren werde. Neu war aber, daß er seinen definitiven Verzicht auf das Amt erklärte, obwohl die Montagszeitungen noch meldeten, Lafontaine werde Müntefering in einer kurzfristig anberaumten Vorstandssitzung als Fraktionsvorsitzenden vorschlagen. Damit schien der Streit zugunsten Scharpings entschieden, weil kein anderer ernsthafter Konkurrent im Rennen war. Lafontaine hatte sich längst für das Amt des Finanzministers entschieden.

Sie sagen, alles nur für die Partei zu tun

Müntefering begründete seinen Schritt mit dem „Interesse der Partei“, womit er offenbar die Beendigung des parteischädigenden Streits meinte. Deutlicher sagte es der stellvertretende Fraktionsvorsitzender Ottmar Schreiner: Müntefering habe dafür gesorgt, daß „nicht zwei Züge mit voller Geschwindigkeit aufeinanderprallen“. Im Grunde hat Müntefering den Parteivorsitzenden damit düpiert, weil er statt des Parteivorsitzenden die Auseinandersetzung um seine Person beendet hat. Lafontaine steht jetzt als jemand da, der den Streit ohne Rücksicht auf Verluste weitertreiben wollte und nur von dem besonnenen Müntefering und schließlich Schröder gebremst wurde.

Fragt sich, warum Gerhard Schröder nicht schon früher eingegriffen hat. Denn ungeachtet der jetzigen Entscheidung gegen Schröder ist Lafontaine beschädigt. Möglicherweise hatte Schröder einfach zu lange auf die Einsichtsfähigkeit der Beteiligten vertraut. Es wurde aber auch der Verdacht geäußert, Schröder habe Lafontaine auflaufen lassen. Gestern morgen, noch vor den Sitzungen der Gremien, hieß es aus Schröders Umgebung süffisant: Es werde Zeit, die Angelegenheit in die bewährten Hände von Gerhard Schröder zu legen. Schröder habe ein Interesse daran, das Problem behutsam und mit Rücksicht auf Scharping zu bereinigen. Wenn sich Schröder frühzeitig definitiv für oder gegen Scharping als Fraktionsvorsitzenden ausgesprochen hätte, wäre der Streit entschieden gewesen, bevor er Staub aufwirbeln konnte. Denn weder kann sich Scharping leisten, gegen den erklärten Willen des Parteivorsitzenden und des künftigen Kanzlers Fraktionsvorsitzender zu bleiben, noch kann sich Lafontaine einen Machtkampf mit Schröder und dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion erlauben. Scharping dachte offenbar, daß er Schröder nicht ernsthaft gegen sich hatte. Sonst wäre er kaum so unnachgiebig gewesen. In seinem Umfeld wurde spekuliert, Schröder sei es ganz recht, bliebe Scharping Fraktionsvorsitzender. Wenn es stimmt, daß Lafontaine den Fraktionsvorsitz vor allem deshalb gerne in anderen Händen sähe, um den wirtschaftsorientierteren „Automann“ Schröder stärker in seine Schranken zu weisen, müßte dieser das vereiteln wollen. Wobei es falsch wäre, Müntefering als ausgesprochenen Gefolgsmann Lafontaines zu bezeichnen.

Beide Seiten bestreiten zwar energisch, daß Rivalitäten zwischen ihnen eine Rolle spielten. Fakt ist aber, daß Schröder und Lafontaine unterschiedliche Politikvorstellungen haben. Sichtbarer Ausdruck ist Schröders Entscheidung für seinen Vertrauten Hombach als Kanzleramtsminister, was die Linken in der SPD schwer getroffen hat. Hombach fordert in seinem neuen Buch den „Abschied vom Sozialstaat bisherigen Typs“ sowie einen Umbau des Rentensystems und muß sich dafür von FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle loben lassen.

Lafontaine hat nun seit dem Wahlsieg in mehrfacher Hinsicht verloren: Zunächst mußte er den Traum von einem um den Bereich der Europapolitik erweiterten Finanzministerium frühzeitig wegen des Widerstands von Joschka Fischer begraben. Statt Bodo Hombach hätte er lieber Franz Müntefering im Amt des Kanzleramtsministers gesehen. Den Fraktionsvorsitz hat er auch nicht in seinem Sinne entscheiden können. Und ob er wenigstens einen Teilerfolg errungen hat, wird sich erst zeigen, wenn über den Amtsnachfolger Scharpings entschieden ist. Kommentar Seite 12

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