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Verkehrsmetropole Berlin in der Sackgasse

Der Senat will die Stadt zum „Zentrum der Verkehrstechnologie“ machen. Konzerne und ihre Zulieferer sollen in Berlin den Verkehr der Zukunft planen, Züge und Kommunikationstechnik produzieren, so die Vision. Doch bisher ist nicht viel passiert. Der Senat, allen voran CDU- Wirtschaftssenator Elmar Pieroth und CDU-Verkehrssenator Jürgen Klemann, haben noch kein Konzept für die moderne Vernetzung der Region durch den öffentlichen Nahverkehr entwickelt. Das bemängelt besonders der scheidende Siemens- Vorstand Wolfram Martinsen im taz-Interview.

Deshalb kündigt sich bei Konzernen wie Siemens und Adtranz jetzt ein Umdenken ein. Da die Aufträge des Landes geringer ausfallen als vermutet, prüfen sie nun, ob sich weitere Investitionen in Berlin noch lohnen.

Nach seinem Rücktritt als Chef der Siemens-Verkehrstechnik in Berlin befürchtet Wolfram Martinsen, daß der Konzern seine Präsenz in der Stadt einschränkt. Martinsen amtierte als Chef der Siemens-Verkehrssparte mit Sitz im Bezirk Treptow, deren Leitung er 1994 an die Spree verlagerte. In seiner zweiten Funktion vertrat er den Gesamtkonzern gegenüber dem Senat. Diese Rolle werde in Zukunft möglicherweise ein „Mitglied des Zentralvorstandes aus München“ wahrnehmen, sagt Martinsen. Wer diese Position ausfüllen soll, sei gegenwärtig noch nicht abzusehen, erklärt dazu Siemens-Sprecher Urban Bastert. Das ehemalige Siemens- Vorstandsmitglied Martinsen geht auch davon aus, daß sein Konzern die Zahl der Stellen in Treptow, wo Sicherheitstechnik für Bahnanlagen hergestellt wird, verringern werde.

Der Sinneswandel bei Siemens belegt, daß in den Augen des Konzernvorstandes die Hauptstadt eine geringere Rolle spielt, als noch vor einiger Zeit. Zu den Mißstimmigkeiten zwischen Siemens und der Landesregierung hat ein Auftrag der BVG für Straßenbahnen beigetragen, den der Konzern an seinen Konkurrenten Adtranz verlor.

Auch in anderer Hinsicht gerät die Senatsvision vom Zentrum der Verkehrsindustrie ins Wanken. Adtranz, eine Tochter von Daimler-Benz und ABB, will zum Ende des Jahres ihr hochmodernes Produktionswerk für Bahnen im Stadtbezirk Pankow schließen. Mehrere hundert Arbeitsplätze stehen dann auf der Abschußliste. Bisher ist es CDU- Wirtschaftssenator Elmar Pieroth nicht gelungen, als Ersatz andere verkehrstechnische Betriebe von der Ansiedlung auf dem Gelände zu überzeugen. koch

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