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Türke bleiben, Deutscher werden

■ Rot-Grün vereinbaren die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Neugeborene können automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, Anspruch auf Einbürgerung für Immigranten bereits nach acht Jahren Aufenthalt

Bonn (taz) – SPD und Grüne haben sich gestern auf ein neues Staatsbürgerschaftsrecht geeinigt. Künftig sollen diejenigen Ausländerkinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, deren Vater oder Mutter bereits in Deutschland geboren wurde oder vor dem 14. Lebensjahr nach Deutschland gekommen ist. Kerstin Müller von den Bündnisgrünen nannte gestern abend den vereinbarten Kompromiß ein „Recht für die zweieinhalbte Generation“.

Herta Däubler-Gmelin, als rot-grüne Justizministerin im Gespräch, erklärte, die neue Koalition wolle auch eine „menschliche Drogen- und Suchtpolitik“, eine „Modernisierung der Justiz an Haupt und Gliedern“ und eine „Betonung der Beteiligungs- und Bürgerrechte“. Zu der „entscheidenden Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes“ (Däubler-Gmelin) gehöre „die Hinnahme der Doppel-Staatsangehörigkeit“. Dies gelte sowohl für Einbürgerungen als auch für die in Deutschland geborenen Kinder von Immigranten. Den Anspruch auf eine Einbürgerung soll es nach einem Aufenthalt von mehr als acht Jahren „bei gesetzmäßigem und straffreiem Aufenthalt“ geben. Bisher beträgt die Frist 15 Jahre.

Kerstin Müller nannte das Verhandlungsergebnis einen großen Erfolg und ein „klares Signal für die Integration“. Als zentrale Aussage des Koaltionsprogramms nannte sie: „Diese Bundersregierung wird anerkennen, daß die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist, und sie wird die Gestaltungsaufgabe annehmen.“

Zur Gleichstellung homosexueller Beziehungen sollen „eingetragene Partnerschaften“ eingeführt werden. Ein Antidiskriminierungsgesetz soll im Laufe der Legislaturperiode erarbeitet werden. SPD und Grünen verständigten sich ferner auf das Ziel, eine Altfallregelung für Flüchlinge in Deutschland zu schaffen, etwa für solche, die seit längerem geduldet würden. Müller sagte, damit sollten für Flüchtlinge, die sich schon länger im Lande aufhielten — etwa im Kirchenasyl — ein dauerhafter Aufenthaltsstatus geschaffen werden. Das umstrittene sogenannte „Flughafenverfahren“ soll überprüft werden.

In der Drogenpolitik haben sich beide Parteien nach den Worten von Müller darauf geeingt, daß Modellversuche für die Abgabe von Methadon und ähnlichen Ersatzprodukten an Drogensüchtige ausgebaut worden. Dafür werde eine Änderung des Betäubungsmittelgesetz angestrebt, sagte Däubler-Gmelin.

Eine solche Politik sei geeignet, die Beschaffungskriminalität in den Städten zu bekämpfen. Man werde Sucht, Drogen und Drogenhandel bekämpfen, aber auch Abhängigen und Suchtkranken helfen, sagte die SPD- Politikerin. Eine Freigabe des Rauschmittels Cannabis sei nicht geplant.

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