: Ein Anwalt will „das Monster zu Fall bringen“
■ Der einstige Allende-Berater Joan Garces sorgt dafür, daß Pinochet nicht frei ausgeht
Madrid (taz) – Jener 11. September 1973 sollte dem jungen Sozialisten Joan Garces nie mehr aus dem Kopf gehen. Er stand Chiles Präsidenten Salvador Allende als persönlicher Berater auch dann noch zur Seite, als auf Befehl von General Augusto Pinochet Panzer die Straßen und Plätze der Hauptstadt Santiago de Chile einnahmen und die Luftwaffe den Präsidentenpalast La Moneda bombardierte. Sechs Stunden später lag die älteste Demokratie Lateinamerikas in Schutt und Asche. Der verzweifelte Allende hatte sich das Leben genommen. Tausende von Demokraten wurden im Fußballstadion zusammengetrieben und gefoltert. Chiles dunkelste Jahre begannen. Joan Garces, der den Überfall auf die Moneda überlebte, schwor sich, den Rest seines Lebens alles dafür zu tun, um „das Monster“, wie er Pinochet gerne nennt, „zu Fall zu bringen“.
Als 1993 die USA ihre Archive über den Staatsstreich in Chile öffneten, war Garces einer der ersten, die sich durch die Aktenberge wühlten. Zwei Jahre später, anläßlich der Verurteilung des Geheimdienstchefs der Diktatur, Manuel Contreras, zu sechs Jahren Haft durch ein chilenisches Gericht, reiste Garces abermals in die USA. Auf einer Pressekonferenz legte er Material vor, daß belegte, das Contreras, der exilierte Regimekritiker aufspüren und umbringen ließ, nur ein Befehlsempfänger war. Sein Auftraggeber: der Diktator höchstpersönlich. „Bald werden wir Pinochet vor einem Gericht erleben“, prophezeite Garces. Die anwesenden Journalisten schüttelten ungläubig die Köpfe.
Was sie nicht wußten: Garces wartete auf eine spanische Strafrechtsreform, in der erstmals Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausdrücklich nicht verjähren und weltweit geahndet werden können. Im Sommer 1996 war es soweit. Mit Manuel Garcia Castellón und Baltazar Garzón fanden sich am spanischen Sondergerichtshof für Terrorismus und Finanzdelikte zwei Richter, die ein Verfahren gegen die chilenische Diktatur und ein zweites gegen die argentinischen Militärs eröffneten. Beide Richter haben immer wieder durch ihren Kampof gegen die staatliche Korruption auf sich aufmerksam gemacht. Vor allem Garzoń ist kein Fall zu heiß – weder ein in die Drogenmafia verstrickter Polizist noch ein Ex-Innenminister, in dessen Autrag Todesschwadronen Jagd auf mutmaßliche baskische Separatisten machten.
Als Garzón und Castellón sich die lateinamerikanischen Militärregimes vorknöpften, ließ die Kritik nicht auf sich warten. Spanische Politiker, die Staatsanwaltschaft, internationale Juristen und die Betroffenen selbst warfen den beiden Richtern und Garces vor, nicht kompetent zu sein. Doch der unermüdliche Anwalt hatte an alles gedacht. Renommierte Juraprofessoren erstellen Studien über internationales Recht und die Verteidigung der Menschenrechte. Die Ergebnisse sind im Internet abrufbar. Anwälte und Richter, die in Honduras, Argentinien, Italien und Frankreich ähnliche Ermittlungen gegen die Diktatoren führen, greifen gerne darauf zurück.
„Ich kann eine zutiefst empfunde persönliche Befriedigung darüber nicht leugnen, daß Pinochet jetzt doch noch zur Rechenschaft gezogen wird“, sagt Garces und genießt die Früchte seiner Arbeit – 25 Jahre nach jenem 11. September. Reiner Wandler
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