: Parlamentsdienst rügt schweigsamen Innensenator
■ Bündnisgrüne versuchen vergeblich Auskunft über die Praxis der Telefonüberwachung zu bekommen. Wissenschaftlicher Parlamentsdienst (WPD) tadelt Schönbohm in einem Gutachten
Wenn es um die Praxis der Telefonüberwachung geht, verweigert Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) beharrlich die Auskunft. Doch so leicht lassen sich die Bündnisgrünen nicht abspeisen. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Norbert Schellberg, beschwerte sich beim Wissenschaftlichen Parlamentsdienst (WPD), der die mangelnde Informationsbereitschaft des Innensenators jetzt in einem Gutachten als rechtlich fragwürdig gerügt hat. Ob Schönbohm nun die gewünschten Auskünfte erteilt oder es aber auf einen Rechtsstreit vor dem Verfassungsgericht ankommen läßt, vermochte sein Sprecher Martin Strunden gestern nicht zu sagen. Das Gutachten sei erst am vergangenen Freitag in der Innenbehörde eingegangen und werde zur Zeit noch geprüft.
Schellberg versucht vom Innensenator schon seit Anfang des Jahres in Kleinen Parlamentarischen Anfragen Auskünfte zur Telefonüberwachung in Berlin in der Zeit von 1995 bis 1997 zu bekommen. Schönbohm verweigert die Aufschlüsselung der Daten jedoch mit der Begründung, diese seien „so bedeutsam“ und „derart sensibel“, daß eine öffentliche Beantwortung aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht möglich sei. Als Schellberg nicht lockerließ, schlug der Innensenator eine Besprechung in nichtöffentlicher Sitzung des Innenausschusses vor. Daraufhin schalteten die Grünen den WPD ein.
Daß Senatoren nur ausweichend auf Kleine Anfragen von Abgeordneten antworten, kommt häufiger vor. In solchen Fällen beschweren sich die Abgeordneten aber meist mündlich beim Parlamentspräsidenten. „Ein Gutachtenauftrag wegen unzureichender Beantwortung kommt selten vor“, erklärt ein Mitarbeiter des WPD. „Das ist eine ziemlich aufwendige Sache.“
In dem 21seitigen Gutachten, das der taz vorliegt, spricht der WPD von einer grundsätzlichen Informationspflicht der Regierung: „Für eine Ermessensausübung durch den Senat darüber, ob er eine Kleine Anfrage beantwortet, besteht kein Raum.“ Gegenteilige Rechtsauffassungen, die früher vertreten worden seien, könnten „nicht mehr überzeugen“. Die Informationspflicht ist allerdings nicht grenzenlos. Eine Geheimhaltung ist laut WPD zum Beispiel dann geboten, „wenn das Bekanntwerden von Informationen zu Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines Landes führt“. Dies hat Schönbohm aber nicht plausibel dargelegt. „Allein die Tatsache, daß die Offenlegung von bestimmten Informationen und Daten das Staatswohl beeinträchtigen könnte, reicht nicht aus, die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zu verweigern“, so der WPD in seinem Gutachten.
Als Indiz dafür, daß die alleinige Bekanntgabe der Zahl der Telefonüberwachungen „kaum“ Nachteile für das Staatswohl habe, verweist der WPD auf eine Antwort der Bundesregierung auf mehrere Anfragen im Bundestag zu diesem Thema. Danach wurden in Berlin von 1992 bis 1995 genau 424 Telefonüberwachungen durchgeführt. In zehn Bundesländern, darunter Bayern, seien entsprechende Parlamentarische Anfragen von den zuständigen Minstern „beantwortet“ worden. Plutonia Plarre
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