Scharping, Stollmann... ...Oskar beißt sie alle weg

■ Der designierte Wirtschaftsminister verzichtet, weil er Kompetenzen an Lafontaine abgeben sollte. Jetzt kommt der ehemalige Veba-Atommanager Werner Müller

Bonn (taz) – Der designierte Bundeswirtschaftsminister Jost Stollmann gibt auf. Seinen Verzicht auf ein Amt im Kabinett von Gerhard Schröder begründete er mit dem geplanten neuen Zuschnitt des Wirtschaftsministeriums sowie mit „inhaltlichen Vorbehalten gegenüber Teilen der ausgehandelten Koalitionsvereinbarung“. Wirtschaftsminister wird nun der parteilose Ex-Veba-Manager Werner Müller, der Schröder bereits bei den Energiekonsensgesprächen mit der Atomindustrie beraten hatte.

Immer mehr Beobachter reden nun von einem Fehlstart der künftigen Regierung. Auch Schröder selbst soll vor dem Parteirat gestern nachmittag gesagt haben, der Start sei verpatzt. Die Medien würden sich in den nächsten Wochen auf die Frage konzentrieren, wer denn nun unter wem Kanzler sei. Dahinter steckt die Befürchtung, daß der Rückzieher Stollmanns als Kapitulation Schröders vor SPD-Parteichef Oskar Lafontaine bewertet werden wird. Lafontaine soll sich mit den Worten verteidigt haben: In ganz Europa gebe es keine vergleichbare Situation, in der der Parteichef Minister unter einem Kanzler derselben Partei sei.

In einer Pressekonferenz wies Schröder die Darstellung, Lafontaine sei für den Rückzug Stollmanns verantwortlich, zurück. An der These, der künftige Finanzminister habe nach SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping nun auch Stollmann kaputt gemacht, sei nichts dran. Schröder betonte, daß es schon länger zwischen ihm und Stollmann Diskussionen über den Zuschnitt des Wirtschaftsministeriums gegeben habe. Stollmann habe nicht hingenommen, daß die Referate für Europa und Konjunkturberichterstattung aus dem Wirtschaftsressort in das Finanzressort überführt werden sollen, und seinerseits verlangt, die Zuständigkeit für die Geld- und Kreditpolitik vom Finanz- an das Wirtschaftsministerium zu übertragen.

Stollmann selbst hat gestern abend seinen Rückzug damit begründet, daß die ihm am Morgen in einem Vier-Augen-Gespräch von Schröder verkündete Kompetenzbeschneidung „unakzeptabel“ sei, weil er die Aufgabe, eine Trendwende am Arbeitsmarkt zu erreichen, so nicht erfüllen könne. Er bewundere Schröder aber weiter für seinen Mut, ihn als Quereinsteiger für das Kabinett zu nominieren.

Werner Müller, der eigentlich als Staatssekretär unter Stollmann vorgesehen war, machte bei seinem ersten Auftritt vor der Bonner Presse einen lockeren Eindruck. Der Anruf Schröders am Vormittag habe ihn „doch etwas überrascht“, sagte der 52jährige Volkswirt. Schröder habe ihm anders als bei zwei Anfragen zuvor keine Chance zum Überlegen gelassen, sondern gesagt, daß er sich am Nachmittag „mit Anzug“ in Bonn einfinden solle. Beim ersten Mal habe ihn Schröder 1992 gebeten, Mitglied im niedersächsischen Kabinett zu werden. Beim zweiten Mal habe ihn Schröder im März dieses Jahres gefragt, ob er nicht Bundeswirtschaftsminister werden wolle. Er habe abgelehnt, weil er eigentlich gerne der „graue Pensionär im Hintergrund“ geblieben wäre.

Mit Hohn reagierte die alte Regierungskoalition. Der designierte CDU-Chef Wolfgang Schäuble sagte: Es gereiche Stollmann zur Ehre, daß er sich der rot- grünen Politik verweigere. „Über soviel Biegsamkeit verfügt nicht einmal der sonst so quecksilbrige Quereinsteiger, daß er die vom Nebenkanzler Lafontaine bestimmten Richtlinien der Politik hätte mittragen können.“ Markus Franz

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