piwik no script img

Kaufrausch in einem virtuellen Museum

■ Bremer GaleristInnen stellen zum dritten Mal in der Glocke aus und laden am Samstag und Sonntag zum verlängerten Wochenende

Einmal richtig Geld haben! Und dann nicht zum Abtauchen nach Eilat fliegen oder bei Grashoff dauerschlemmen, sondern etwas ganz anderes tun. Nämlich: Die Glocke leerkaufen. Das wäre was. Wenigstens eine der beiden Voraussetzungen dafür ist jetzt erfüllt.

Denn zum vierten Mal haben sieben Bremer GaleristInnen und erstmals auch das Übersee-Museum an den Wänden im Foyer und in teilweise namenlosen Räumen des Konzerthauses Kunst aufgehängt und hinter Vitrinenglas plaziert. „Glocke Kunst“ heißt die Reihe und soll offiziell Brücken zwischen musischer und bildender Kunst schlagen und die KonzertbesucherInnen dazu animieren, auch mal die nicht subventionierten Galerien in Bremen aufzusuchen – zum Beispiel an diesem Wochenende, an dem insgesamt acht GaleristInnen ihre Öffnungszeiten erweitern. Inoffiziell aber hat diese Präsentation in der Glocke eine ganz andere Wirkung. Die vermittelt die Botschaft: „Kauf mich!“ Und dafür ist in einem Haus wie der Glocke einiges Auswahlgeschick nötig.

Denn das Konzertgebäude selbst ist in seiner Art-Deco-Ästhetik ziemlich vollkommen. Wo eine gelbe Wand ist, gehört eigentlich nichts anderes hin als die gelbe Farbe. Denn hier kann sich das umherschweifende Auge von all den geometrischen Figuren in Pfeilern, Spiegeln, Treppenläufen oder Panelen erholen. Etwas anderes – Kunst zum Beispiel – kann sich auf den ersten Blick in diesem Interieur kaum behaupten. Doch auf den zweiten Blick hat sie einen gepackt.

Da ist etwa Harald Falkenhagen. Seine Galeristin Katrin Rabus hat in der Garderobe im Keller rund zwei Dutzend seiner ironischen und subversiven Zeichnungen aufgehängt – „ein Traumplatz“, wie Rabus findet. Oder da ist Rolf Julius. Der „Klangbogen“-Komponist und seine Galeristin Brigitte Seinsoth haben in einem Raum namens Zwischenfoyer eine Installation mit Julius-typischen Leisesprechern zur „Glocke Kunst“ beigesteuert.

Auch die Aquarelle von Sarkis, die Peking-Oper-Variationen von Li Di, oder die Wasserturm-Fotografien von Fons Brasser wecken nicht nur Schaulust. Doch leider ist nur die erste Voraussetzung erfüllt. Das Glocke-Leerkaufen fällt wegen Geldnmangels aus. Und wer von denen, die welches haben, gibt es heutzutage für Kunst im eigenen Wohnzimmer aus, wo man sie doch fast überall – unter anderem auch in den Kunstraum gewordenen Ex-Wohnzimmern und Ex-Fabrikhallen der GaleristInnen – sehen kann? An diesem verlängerten Wochenende zum Beispiel, an dem sich mit einem längeren Spaziergang von Galerie zu Galerie ein virtuelles Museum für zeitgenössische Kunst erlaufen läßt. ck

„Glocke Kunst“ bis Januar im Konzerthaus an der Domsheide. Das „Offene Wochenende in Bremer Galerien“ findet am 24. und 25. Oktober jeweils von 11 bis 18 Uhr statt. Es beteiligen sich: Galerie Claudia Delank, Hohenlohestraße 22, mit Photoarbeiten von Tokio Maruyama; die Galerie für Gegenwartskunst, Bleicherstraße 55, mit Arbeiten des dänischen Künstlers Niels Bonde; die Galerie Hartwig, Hartwigstraße 41, mit Arbeiten des Chinesen Zhu Jinshi; die Galerie Cornelius Hertz, Richard-Wagner-Straße 22, mit Arbeiten von Isabel Valecka und Tom Gefken; die Galerie im Winter, Richard-Wagner-Straße 32, mit einer kleinen Retrospektive des Niederländers Fons Brasser; die Galerie beim Steinernen Kreuz, Beim Steinernen Kreuz 1, mit Ratten-Zeichnungen von Christian Gürtler; der kunstraum ursula mock, Graf-Moltke-Straße 59, mit Bildern von Mutsumi Okada; die Galerie Katrin Rabus, Plantage 13, mit der Doppelausstellung Tomoharu Murakami und Yuji Takeoka.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen