: „Die Schnittmenge liegt bei über neunzig Prozent“
■ Günter Verheugen, künftiger Staatsminister der SPD im grünen Außenamt, erwartet eine reibungslose Zusammenarbeit
taz: Sie werden Staatsminister im Auswärtigen Amt. Hat Gerhard Schröder Sie als Aufpasser geschickt, damit ein SPD-Politiker die Grünen im Zaum hält?
Günter Verheugen: Nein. Überhaupt nicht. Joschka Fischer braucht ganz bestimmt keinen Aufpasser. Diese Rollenzuweisung akzeptieren wir beide nicht, sondern wir werden gemeinsam für den Erfolg der neuen Regierung arbeiten.
Wie würden Sie denn Ihr Verhältnis zum künftigen Außenminister Fischer und zu Ihrem Kollegen Ludger Volmer beschreiben?
Ich kann sehr gut mit beiden. Ich achte Fischer als einen Politiker mit wirklich außergewöhnlichen Gaben. Volmer habe ich im Lauf der Jahre als einen Mann kennengelernt, der sehr wohl grundsätzliche Überzeugungen mit dem notwendigen Maß an Pragmatismus zu verwirklichen sucht. Ich habe ja mit ihm die Koalitionsvereinbarung zur Außen- und Sicherheitspolitik ausgehandelt, und das war wirklich eine sehr angenehme, problemlose Zusammenarbeit.
Könnten Sie angesichts eines so guten Verhältnisses zu beiden gar in eine Mittlerrolle kommen, da beide bekanntlich manchmal ihre Probleme miteinander haben?
In innere Angelegenheiten des Koalitionspartners möchte ich mich nicht einmischen.
Bisher war im Zusammenhang mit rot-grüner Außenpolitik viel von Kontinuität die Rede. Nun bedeutet das allein ja noch nicht Gestaltung. Wie soll denn das neue außenpolitische Profil aussehen?
Diese Regierung wird sehr viel mehr Wert legen auf präventive Außenpolitik. Das ist für mich auch der eigentliche Sinn von Außenpolitik, nämlich Krisen und Konflikte zu vermeiden und, wenn das nicht möglich ist, alles zu tun, um friedliche Lösungen zu erreichen. Das verlangt eine aktivere deutsche Rolle in den internationalen Systemen, insbesondere in der UNO und der OSZE, die für Konfliktprävention prädestiniert sind.
Werben Sie dafür, daß Deutschland ein ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat wird?
Die Weltordnung, die nach 1945 entstanden ist, verändert sich jetzt. Wir wollen eine Reform des UN- Sicherheitsrats mit einer regional ausgewogeneren Verteilung. Wenn das erreicht wird, würden wir einer Einladung an Deutschland folgen, ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat zu werden. Wir sollten diese Verantwortung auch nicht scheuen. Zwar würden wir in der Koalition einen europäischen Sitz vorziehen, wir wissen aber auch, daß das unrealistisch ist.
Die Federführung in Fragen der europäischen Entwicklungspolitik soll künftig nicht mehr beim Auswärtigen Amt, sondern beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) liegen. Ist das nicht ein deutliches Signal, daß Entwicklungspolitik eine bestenfalls untergeordnete Rolle spielen wird?
Im Gegenteil. Der Sinn der Entscheidung ist ja, das BMZ aufzuwerten. Ich glaube, daß das BMZ beim deutschen Beitrag zur Lösung der globalen Probleme eine wesentlich größere Rolle spielen sollte als bisher. Hier werden alte Forderungen beider Koalitionspartner verwirklicht.
Das derzeit drängendste Problem ist die Krise im Kosovo. Am Freitag hat der Bundestag einer deutschen Beteiligung an einem möglichen Nato-Einsatz in Jugoslawien zugestimmt. Könnte die rot-grüne Koalition die Umsetzung dieses Beschlusses wirklich politisch überleben?
Ja. Die glaubwürdige Drohkulisse muß aufrecht erhalten werden. Das ist ein außenpolitisches Thema, das sich nicht für innenpolitische Spekulation eignet. Wir müssen schon bald einen Weg finden, wie das bestehende Völkerrecht so entwickelt werden kann, daß die internationale Staatengemeinschaft in Krisen wie der im Kosovo handlungsfähig wird.
Die Grünen haben sich seit Monaten zu außenpolitischen Fragen nur sehr zurückhaltend geäußert. Wo sehen Sie dennoch mögliche Bruchstellen und Konfliktlinien?
Ich sehe keine. Die gemeinsame Schnittmenge in diesem Bereich liegt bei über 90 Prozent. Es gab im Lauf des Jahres ein paar Probleme, die mit Beschlüssen der Grünen zusammenhingen. Diese betrafen die Zukunft der Nato, die Beteiligung der Bundeswehr an Militäreinsätzen und die Struktur der Bundeswehr selbst. In der Koalitionsvereinbarung ist das alles befriedigend gelöst. Interview: Bettina Gaus
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