MAI wird unverbindliche Empfehlung

OECD will Gespräche über Investitionsschutzabkommen fortsetzen. Im Bundeswirtschaftsministerium glaubt man nicht, daß es noch formelle Verhandlungen geben wird. NGOs schlagen alternatives Abkommen vor  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Aus der offiziellen Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen MAI ist eine kleine, informelle Konsultation geworden. So informell, daß die Pressestelle der OECD nicht einmal eine Presseerklärung oder das zum Abschluß am Dienstag abend verlesene Statement in schriftlicher Form herausrücken darf – aus Angst, dies könnte für ein offizielles Kommuniqué gehalten werden.

Nachdem die französische Regierung vor zwei Wochen in einem Brief an die OECD ihren Ausstieg aus den Verhandlungen verkündet hatte, tagten in Paris nur Vertreter der übrigen 28 Mitglieder des Industrieländer-Clubs. Die aber scheuten sich vor konsequenten Beschlüssen. Anfang Dezember wolle man sich noch einmal zu Konsultationen zusammensetzen. Insbesondere die USA drängten darauf, das MAI nicht sterben zu lassen, war aus dem Umfeld der Gesprächsteilnehmer zu erfahren.

„Wie wollen sie denn ein Abkommen ohne Frankreich zustande bringen?“ fragt Reiner Engels von der deutschen Organisation Germanwatch, denn die OECD faßt ihre Beschlüsse stets im Konsens. Den aber wird es nicht geben. Frankreichs sozialistischer Premier Lionel Jospin hatte bereits am 10. Oktober vor der Nationalversammlung erklärt, was er auch der OECD geschrieben hatte: Der jetzige Vertragsentwurf „ist nicht reformierbar“. Er folgert daraus, daß Verhandlungen über ein Investitionsabkommen nur „auf vollkommen neuen Grundlagen aufgenommen werden können, und zwar in einem Rahmen, der alle Akteure, insbesondere die Entwicklungsländer, einbindet“. Dieser Rahmen könne nur die Welthandelsorganisation WTO sein.

„Der Eindruck verfestigt sich bei uns, daß es formelle Verhandlungen in der OECD nicht mehr geben wird“, bestätigt die Pressesprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Ein Mitarbeiter des Ministeriums vermutet, es gehe den Verhandlungspartnern nun in erster Linie nur noch darum, nicht alles wegzuwerfen, was bisher erarbeitet wurde. Möglicherweise werde daraus eine Grundlage oder Empfehlung für spätere Verhandlungen in der WTO.

Einige NGOs wollen die Gelegenheit, daß die OECD mit ihren allein auf Investoreninteressen ausgerichteten Vorstellungen de facto gescheitert ist, nun selbst für einen Vorstoß nutzen. Bevor die WTO ein neues MAI erarbeitet, wollen sie selbst Maßstäbe setzen. Ein „Bürger-MAI“ schlägt Tony Clarke vom kanadischen Polaris- Institut vor und stellt es im Internet zur Diskussion (http://www.cana dians.org/citizensmai.html).

Er baut seinen Entwurf auf Grundlage der UN-Menschenrechtskonvention und der UN- Charta über die wirtschaftlichen Rechten und Pflichten der Staaten auf. In einem neuen Investitionsabkommen sollen daher nicht die Rechte der Unternehmen im Vordergrund stehen. Vielmehr sollen Bürger auf die Einhaltung von Arbeitsrechten sowie sozialen, ökologischen und kulturellen Rechten pochen können. Regierungen werden verpflichtet einzuschreiten, wenn die wirtschaftliche Entwicklung oder die Aktivitäten von Investoren diesen Bürgerrechten zuwiderlaufen. Unternehmen müssen bestimmte Arbeits- und Umweltstandards einhalten. Außerdem sollen sie durch angemessene Steuerzahlungen dazu beitragen, daß beispielsweise Bildungs- und Gesundheitswesen finanziert werden können, von denen die Investoren schließlich auch profitieren.

Nicht alle NGOs unterstützen diesen Vorstoß. Viele setzen nach wie vor darauf, das MAI komplett zu verhindern. Doch für kleine, wenig entwickelte Länder könnte ein Abkommen eine Verbesserung bedeuten, wenn es darum geht, mit multinationalen Konzernen zu verhandeln. Deshalb will Clarkes Entwurf – anders als das MAI, das nur Unternehmen Klagerecht gegen Staaten einräumt – den Regierungen ermöglichen, ihrerseits Investoren auf Einhaltung ihrer Pflichten zu verklagen.