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Wie mächtig wird Frau Beck?

■ Mit Rot-Grün wird Ausländerpolitik plötzlich wichtig. Welche Rolle soll dabei die Ausländerbeauftragte spielen? Die Neue im Amt schweigt, und hinter den Kulissen wird sich gebalgt

Berlin (taz) – Zweimal, dreimal hatte der Moderator im Laufe der Morgensendung des Deutschlandfunk seine Interviewpartnerin bereits angekündigt. Marieluise Beck, Ausländerbeauftragte der neuen Bundesregierung, nachher zugeschaltet aus Bonn. Doch die Minuten dehnten sich, statt gewichtiger Worte zu Migration und Integration dudelte im Radio sanft ein Schlager. Schließlich meldete sich, hörbar verdruckst, der Moderator wieder. Leider sei es nicht gelungen, Frau Beck zu erreichen.

Die Episode vom Donnerstag morgen ist ebenso peinlich wie bezeichnend. Seit Dienstag vergangener Woche ist Beck die Stimme der Ausländer, doch bisher blieb die Stimme weitgehend stumm.

Zwar beeilt sich das Büro der künftigen Bundesbeauftragten zu versichern, der Ausfall beim Deutschlandfunk sei ein Versehen gewesen. Tatsache ist aber, daß sich die grüne Politikerin nach ein paar Interview-Schnellschüssen Medienabstinenz verordnet hat: Keine Äußerungen mehr, bevor sie am Mittwoch offiziell ernannt ist. Dabei bestünde durchaus Bedarf an klärenden Worten.

Die rot-grüne Koalitionsvereinbarung läßt völlig offen, wie es mit dem Amt der Ausländerbeauftragten weitergehen soll. Dies ist um so verwunderlicher, als dem Amt eine Schlüsselstellung zukommen müßte, wenn die grundlegende Reform des Staatsangehörigkeitsrechts umgesetzt werden soll. Entsprechend wichtig sind Fragen nach einer Aufwertung beim Zuschnitt des Amtes, den Kompetenzen und dem Personal. Die Antworten darauf kennt dem Vernehmen nach nicht einmal Marieluise Beck selbst. Von ihrem neuen Amt, so sagte sie selbst, sei sie „überrascht“ worden. Nachdem der Koalitionsvertrag keine Klarheit geschaffen hat, muß Beck jetzt offenbar ihre künftige Rolle im Gespräch mit dem Koalitionspartner SPD selbst aushandeln.

Allzu schwierig dürfte das nicht werden, denn selbst die Erwartungen der Bündnisgrünen an das ihnen zugeschlagene Amt sind bescheiden. Von einem Ministerrang nach dem Vorbild des Staatsministers für Kultur ist keine Rede mehr. Statt dessen heißt es nur noch vage, Beck müsse „Kabinettszugang“ erhalten, ein Stimmrecht ist damit wohl nicht verbunden. Zur Personalausstattung hatte Beck noch kurz vor ihrem Interview-Stopp gegenüber der taz erklärt: „Wenn die Bundesregierung neue Schwerpunkte setzt, wird sie dafür Sorge tragen müssen, daß Ausstattung und Unterbau entsprechend aufgestockt werden.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, der selbst für den Posten im Gespräch war, nannte jetzt erstmals eine konkrete Größenordnung. Die Aufstockung „muß in einem ersten Schritt mindestens auf eine Verdoppelung rauslaufen“, sagte er der taz. Die noch amtierende Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) verfügt über 16 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Michael Naumann, der designierte Staatsminister für Kultur, kündigte gestern an, er werde sich ein „Miniministerium“ mit 300 Beamten und Angestellten einrichten.

So bescheiden sich der Zuwachs von 16 auf 32 Mitarbeiter in Becks Ressort auch ausnehmen würde, nicht einmal damit kann die bisherige Bundestagsabgeordnete fest rechnen. „Da sollte man erst mal schauen, was möglich ist“, warnt die Ausländerexpertin des großen Koalitionspartners SPD, Cornelie Sonntag-Wolgast, und verweist auf den „Finanzierungsvorbehalt“ der Regierung Schröder. Vorrangig müsse man „Aufgaben zusammenfassen“. Sonntag-Wolgast zur taz: „Der Bereich Migration und Integration ist noch völlig zerfleddert.“ Sie verweist auf die konkurrierenden Zuständigkeiten etwa von Arbeits- und Innenministerium und fordert: „Da müßte man zu einer einheitlichen thematischen Bündelung kommen.“

Als einen Appell, einzelne Ministerialabteilungen der Ausländerbeauftragten zu unterstellen, will die SPD-Politikerin ihre Forderung allerdings nicht verstanden wissen. In dieser Woche wird Sonntag-Wolgast nämlich ihrerseits einen neuen Posten antreten. Als parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium von Otto Schily ist sie eingebunden in das Machtgerangel der Bonner Ministerien. An einer Stärkung der Ausländerbeauftragten ist ihr darum nur bedingt gelegen. Schließlich kämen zusätzliche Stellen und Kompetenzen nicht ihrem Haus, sondern dem Arbeitsministerium zugute, wo die Beauftragten angesiedelt sind, weil sie sich einst vorrangig um Gastarbeiter kümmern sollten.

Klar ist jedenfalls, daß künftige rot-grüne Auseinandersetzungen um die Ausländerpolitik vor allem zwischen Beck und Schily ausgetragen werden. Die grüne Frau über den ehemals grünen Mann: „Im Laufe der Regierungszeit muß man sehen, was an Entkrampfung zwischen der doch eher ,strengen‘ Politik des zukünftigen Bundesinnenministers Schily und der ganz anders ausgerichteten Politik der Bündnisgrünen zu bewerkstelligen sein wird.“ Schilys Staatssekretärin Sonntag-Wolgast warnt, nicht minder streng, die neue Ausländerbeauftragte schon mal vorab davor, sich gegenüber der Regierung ähnlich kritisch zu verhalten, wie es Becks Vorgängerin Schmalz-Jacobsen getan hatte. „Frau Beck soll anfeuern und anstoßen, aber es gibt sicherlich nicht diese konfrontative Konstellation“, so die Sozialdemokratin.

In einem Punkt hat sich die SPD rasch bereit gefunden, der neuen Ausländerbeauftragten entgegenzukommen. Marieluise Beck wird sich bald Integrationsbeauftragte nennen dürfen. Ein neuer Titel klingt immer gut und fällt nicht unter den Finanzierungsvorbehalt. Patrik Schwarz

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