: „Joschka Fischers Personalpolitik erinnert an die FDJ“
■ Werner Schulz kritisiert personelle Vorabsprachen bei den Grünen: Kein Ossi an der Spitze
Bonn (taz) – Zu einer seiner bittersten Stunden kam Werner Schulz zu spät. Der ehemalige parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen verpaßte am Sonntag abend die Wahl von Rezzo Schlauch und Kerstin Müller zu Sprechern der neuen grünen Bundestagsfraktion. Das wäre auch Werner Schulz gerne geworden. In einer vorweggenommenen Kampfabstimmung vor zwei Wochen unterlag er jedoch Rezzo Schlauch. Der Schwabe ist wie Schulz männlich und Vertreter des Realo-Flügels der Partei, die andere Sprecherstelle war mit Kerstin Müller (linke Frau) sowieso schon vergeben.
Was der Unterlegene von so einem Verfahren hält, erklärte er gestern in Zeitungsinterviews: „Personalpolitik nach der Methode Fischer, das heißt Personalplanung wie bei der FDJ – nur so viele Kandidaten wie freie Plätze“, sagte Schulz der Leipziger Volkszeitung Daß der ehemalige Bürgerrechtler Schulz die unumstrittene grüne Führungsfigur, Außenminister Joschka Fischer, in einem Atemzug mit dem kommunistischen Jugendverband der DDR nennt, zeigt, wie enttäuscht der Sachse über die Vergabe der neuen Ämter bei den Grünen ist. „Dort, wo keine demokratischen Strukturen bestehen, herrschen informelle Kreise. Auf dieser Personalpolitik, die auf faire Ausspachen über Eignung, Kompetenz und sonstige Faktoren verzichtet, liegt kein Segen.“
Von zwölf hervorgehobenen Posten sei keiner an einen Ostdeutschen gegangen, beklagt Schulz: „Das ist ein fataler und folgenschwerer Fehler.“ Die bisherige und zukünftige Vorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, die Sächsin Gunda Röstel, wies die Vorwürfe von Schulz zurück. Sie verwies darauf, daß immerhin eine der beiden Parteivorsitzenden – nämlich sie – aus dem Osten komme.
Der Ärger von Werner Schulz speist sich aus bitteren persönlichen Erfahrungen. Schulz war es, der 1990 für die im Bündnis 90 organisierten ostdeutschen Bürgerrechtler die Fusion mit den Grünen unterzeichnete. Heute sagt er, der Titel „Bündnis 90“ sei nur noch ein „leerer Vorsatz“ im Parteinamen. Dabei war es ein kleines Grüppchen ostdeutscher Abgeordneter, die von 1990 bis 1994 Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag repräsentierten. 1994 trat Werner Schulz die Leitung der Fraktion an Joschka Fischer ab. „Ich bin davon ausgegangen, daß ich diesen Platz genauso anstandslos zurückbekomme“, meint Schulz heute. In der kommenden Legislaturperiode möchte er nur noch als Abgeordneter und wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion auftreten. Robin Alexander
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