: Der Hunger im Sudan ist noch nicht vorbei
Mindestens ein Jahr lang, so schätzen Hilfsorganisationen, bleibt die Bevölkerung des umkämpften Südsudan noch von Nothilfe abhängig. Politische Konzepte zur Beendigung des Bürgerkrieges sind bisher nicht in Sicht ■ Von Peter Böhm
Nairobi (taz) – Für den Hunger im Süden des Sudan ist kein Ende in Sicht. Obwohl sowohl die Regierung wie auch die Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) ihren im Juli ausgerufenen dreimonatigen Waffenstillstand im Hungergebiet vor kurzem um weitere drei Monate verlängert haben, warnen die Hilfsorganisationen, daß die Versorgung der Region noch mindestens ein Jahr fortgesetzt werden muß.
Die Ernte der diesjährigen Regenzeit werde für rund drei Monate reichen, schätzt Jakob Akol, Sprecher von World Vision. Dann seien die Menschen in Bahr al-Ghazal, der am schlimmsten betroffenen Region, wieder ausschließlich auf Hilfslieferungen angewiesen. „Viele konnten, weil sie wegen des Hungers ihr Dorf verlassen hatten, ihr Feld nicht bestellen, die Samen kamen zu spät oder wurden gegessen, und der Regen kam zu früh“, so Akol. „Die erste mögliche gute Ernte können wir frühestens im Oktober 1999 erwarten.“
Derzeit werden rund 1,5 Millionen der fünf Millionen Bewohner des Südsudan mit Nahrungsmitteln versorgt. Die täglich eine Million US-Dollar teure Hilfsaktion, sagt die Sprecherin von Operation Lifeline Sudan (OLS), Gillian Wilcox, wird in den nächsten drei Monaten „auf einem geringfügig reduzierten Niveau“ weitergeführt. OLS ist der Zusammenschluß von zwei UN-Unterorganisationen und 39 anderen Hilfsorganisationen, der die Versorgung des Südsudan koordiniert. Ab Ende Oktober, nach dem Ende des Regens, kann ein Teil der OLS-Hilfsmittel möglicherweise von Uganda aus über den Landweg statt wie bisher über eine Luftbrücke transportiert werden. Erschwert wird die Situation aber noch durch Überflutungen am Nil und seinen Nebenflüssen.
Der Waffenstillstand gilt außerdem nur für Bahr al-Ghazal, und in anderen Teilen des Südsudan wird weiter gekämpft. In Ost-Äquatoria sind in den vergangenen Wochen wieder Gefechte zwischen Regierung und SPLA ausgebrochen. Zu „großer Sorge“, so Wilcox, gebe die Situation im Westen der Prvoinz Ober-Nil Anlaß. Aus der nach Bahr al-Ghazal am schlimmsten vom Hunger betroffenen Region mußten sich die Hilfsorganisationen im Juli wegen Kämpfen zwischen SPLA und SPLA-Dissidenten zurückziehen.
Neue Flüchtlinge aus dem Kongo erwartet
Aus dem Lager Dungu, im Osten der Demokratischen Republik Kongo nahe der Grenze zum Sudan, werden außerdem 40.000 sudanesische Flüchtlinge erwartet, die 1991 vor dem Krieg im Sudan dorthin geflohen waren. Nach UN- Informationen kamen SPLA-Einheiten Ende September in das Lager Dungu, um „die Flüchtlinge zurück in den Sudan zu jagen und die jungen Männer zu rekrutieren“. Bis zum Wochenende waren schon 14.000 im sudanesischen Yambio angekommen und müssen dort in Übergangslagern untergebracht werden.
Die Hilfsorganisationen in der OLS sind sich, zehn Jahre nach ihrer Gründung und rund zwei Milliarden in dieser Zeit aufgewendeten US-Dollar, einig, daß ohne eine politische Lösung des Konfliktes im Sudan Bilder von verhungernden Menschen weiter zum Alltag gehören werden. Vier große Hilfsorganisationen haben jetzt an die UNO appelliert, eine aktivere politische Rolle im Sudan zu spielen. „Humanitäre Hilfe allein in einem politischen Vakuum wird weder Sudans politische Probleme lösen noch die nächste Hungersnot stoppen“, sagten Care International, Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children in einer gemeinsamen Erklärung am Montag.
Doch ein Frieden ist ferner denn je. SPLA und Regierung trennten sich nach den letzten Friedensgesprächen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba Anfang August ergebnislos und wollten sich in sechs Monaten in Nairobi wiedertreffen. Ihre Positionen sind unüberbrückbar. Die Regierung hat ein Referendum über die Selbstbestimmung des Südens in den Grenzen von 1956, als aus zwei von Großbritannien verwalteten Gebieten der unabhängige Sudan wurde, angeboten. Die SPLA besteht darauf, daß darin zwei von ihr kontrollierte Gebiete eingeschlossen werden, die nach Regierungsdefinition im Norden liegen: die Nuba-Berge und der Süden der Provinz Blauer Nil.
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