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Amtliche Fahrradknacker

■ Vor dem Hauptbahnhof wurden Falschparker-Fahrräder im großen Stil abgeräumt. Der ADFC erwägt rechtliche Schritte gegen das rücksichtslose Verhalten der Verantwortlichen

Drei Tage währte die Odyssee von Andreas Freise, nachdem am Freitag vor dem Bremer Hauptbahnhof sein Fahrrad spurlos verschwunden war. Zwischen dem Service-Point der Deutschen Bahn und dem Info-Posten der Straßenbahn konnte er den Verbleib des Gefährts nicht aufklären – bis Montag morgen. Dann erst erfuhr er: Das Radl stand bei der Deutschen Bahn in Verwahrung. Bauarbeiter und die Polizei hatten es gemeinsam mit rund 40 anderen Rädern weggeschafft – „weil die Baustelle erweitert wurde“. Andreas Freise kam dabei glimpflich davon. Er hatte seinen Drahtesel nicht am Zaun der Baustelle am Bahnhofsplatz angeschlossen, sondern ihn einfach nur abgeschlossen davor geparkt. „Nichts kaputt“ lautet deshalb die Diagnose aus dem Hause Freise. Sein Rad fand er abgeschlossen vor.

Bei zahlreichen anderen Fahrrädern dagegen war unter polizeilicher Aufsicht das Schloß geknackt worden. „Obwohl ich mein Rad am Fahrradständer vor dem Bahnhof und nicht am Bauzaun angeschlossen hatte“, schimpft die ebenfalls betroffene Ingrid Wenzel. Sie suchte eine Stunde, bis sie den fahrbaren Untersatz samt aufgebrochenem Bügelschloß wiedergefunden hatte. Unternehmen wird sie trotz des Schloß-Schadens nichts. „Ich rechne mir keine Schnitte aus“, sagt sie ohne jedes Unrechtsbewußtsein. Sie habe am Donnerstag abend, als sie das Fahrrad abstellte, keine Verbotsschilder bemerkt. Das sagen auch andere FahrradbesitzerInnen – und klagen: „Die Räder haben einfach auf einem Haufen gelegen.“ Lampen seien kaputt gegangen, Schutzbleche verbogen.

„Kein Wunder daß da was kaputt gegangen ist“, findet Brigitte Breyling vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Sie wertet die Vorkommnisse als „empörend“ – und das vor allem, weil die Räder ohne jeden Hinweis auf ihren Aufbewahrungsort abtransportiert und später in den Räumen der Deutschen Bahn vollkommen unbewacht aufbewahrt wurden. „Da konnte jeder X-beliebige unbemerkt reingehen und sich ein Rad holen“, sagt sie. Sie selbst habe sich davon noch am Montag überzeugt – und die Lage fotografiert.

Einem Autofahrer wäre sowas nie passiert, argumentieren Fahrradfreaks erzürnt, während der ADFC-Hausanwalt jetzt die Rechtslage prüft. Noch sei offen, wer die Obhutspflicht gehabt habe, sagt Breyling. Auch wenn die Fahrräder allesamt von „Falschparkern“ abgestellt wurden – „was man ja nicht gutheißen kann“ – sei das Vorgehen der Ämter nicht hinnehmbar. Die BesitzerInnen müßten sich wohl darauf einrichten, die Folgeschäden des unsanften Abtransports selbst zu tragen, zumal eine Gruppenklage wohl wenig Erfolg haben würde.

Einer der Verantwortlichen für die Abräumaktion, Reinhard Böttcher von der Consult Team Bremen, die das Projekt Großbaustelle leitet, hätte dafür auch null Verständnis. „Schäden gibt es immer, wenn man ein Rad öffentlich abstellt“, sagt er. Außerdem seien Fahrradparker vorm Bahnhof einfach unbelehrbar. Überall hätten Schilder auf die bevorstehende Aktion hingewiesen – „aber darum hat sich niemand gekümmert“. So sei es auch schon bei früheren Aktionen gewesen. Unterstützung bekommt er von Hacky Vogt von der Fahrradstation. „Manche hängen ihre Fahrräder sogar an die Klinke der Würstchenbude“, sagt er. Dabei gebe es beispielsweise unter der Hochstraße viele Radparkplätze, die nicht genutzt würden. ede

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