: Jetzt mehr Rinderwahn in Portugal
Die EU-Kommission will ein Ausfuhrverbot für portugiesisches Rindfleisch durchsetzen, nachdem sich die Zahl der BSE-Fälle verdreifacht hat. Sprecher: „Bestimmungen werden nicht eingehalten“ ■ Aus Brüssel Alois Berger
Seit Anfang des Jahres sind in Portugal 67 neue Fälle von BSE gemeldet worden, bis Jahresende werden es voraussichtlich mehr als 100 sein. Das sind dreimal so viele wie im Vorjahr. Das Beunruhigende sei nicht nur dieser alamierende Trend, sagte gestern ein Sprecher der EU- Kommission in Brüssel. Inspektionen hätten festgestellt, daß in Portugal weder die EU-Vorschriften zur Eindämmung von BSE noch lokale Bestimmungen eingehalten würden.
Die EU-Kommission fordert deshalb eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher, darunter ein neunmonatiges Ausfuhrverbot für portugiesisches Rindfleisch. Der Export von Lebendtieren soll auf mindestens 18 Monate untersagt werden. Für die Entscheidung ist der am Freitag tagende Ständige Veterinärausschuß der EU zuständig, in dem Vertreter aller 15 EU-Regierungen sitzen. Wenn es zu keiner Einigung kommt, müssen die 15 Landwirtschaftsminister darüber befinden.
Nach Ablauf der Fristen will die EU-Kommission überprüfen, ob die Regierung in Lissabon die BSE-Maßnahmen endlich durchgesetzt hat. Dabei geht es offensichtlich vor allem um die strikte Einhaltung des Verbots, Tiermehl an Wiederkäuer zu verfüttern. Nach Erkenntnissen der EU- Kommission mästen viele portugiesische Bauern trotz eindeutiger EU-Gesetze immer noch mit Kraftfutter aus toten Tieren.
Die Proteine lassen die Rinder schneller wachsen und manchmal auch verblöden. Die Mehrheit der Wissenschaftler geht davon aus, daß infiziertes Tiermehl die Hauptursache für die Verbreitung von BSE ist.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Exportverbots sind eher gering. Wie alle südlichen EU-Länder führt Portugal mehr Fleisch ein als aus. Derzeit liefern portugiesische Händler lediglich 1.500 Tonnen Fleisch und 1.500 Rinder ins benachbarte Spanien. Die portugiesische Regierung hält den drohenden Exportbann trotzdem für übertrieben. Um ihr entgegenzukommen, stellt die EU-Kommission finanzielle Hilfen für die Bauern in Aussicht, die durch BSE oder die von der EU verhängten Maßnahmen Einbußen erleiden. Das Hauptproblem bei der Bekämpfung von BSE ist, daß die EU nur für die Vorschriften zuständig ist. Nachdem britische Wissenschaftler einräumten, daß der Verzehr von BSE- Fleisch beim Menschen eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann, hatte die EU entsprechende Vorschriften beschlossen. Die Umsetzung aber liegt bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten. Und die sind zögerlich, wenn es darum geht, den Landwirten Auflagen zu machen und die auch noch zu kontrollieren.
Aufgrund der Latenzzeit von rund fünf Jahren zwischen Ansteckung und Ausbruch des Rinderwahnsinns befürchtet Brüssel für die kommenden Jahre einen weiteren Anstieg der Fälle in Portugal. In der BSE-Rangliste nimmt das Land inzwischen den zweiten Platz hinter Großbritannien ein. In Irland dagegen ist die Zahl der gemeldeten Fälle von 78 im letzten Jahr auf 48 zurückgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen