piwik no script img

Weiterer Aufstieg in dünner Luft

Hansjörg Geiger ist Staatssekretär im Bonner Justizministerium. Der parteilose Jurist machte sich als Datenschützer einen Namen, half, die Gauck-Behörde mitaufzubauen, und leitete den Bundesnachrichtendienst  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Zwei Dinge hatte der Mann aus Berlin mitgebracht. Das Gemälde eines Ostberliner Künstlers, das schon in seinem Büro in der Gauck-Behörde hing und das Abschiedsgeschenk seiner früheren Mitarbeiter. Das Präsent war eine Plastik: Ein aufrecht stehender Speer auf festes Fundament gestellt. Nach oben verjüngt sich der Stab, wird zunehmend fragiler. Das Kunstwerk hatte Hansjörg Geiger in seinem Büro im siebten Stock in der Merianstraße am Kölner Stadtrand in einer Glasvitrine aufgestellt – Gaucks Mitarbeiter gaben ihrem früheren Chef die Warnung mit auf den Weg, daß die Luft „da oben“ als Amtsleiter ganz schön dünn sein kann.

Das war vor rund drei Jahren. Hansjörg Geiger, der gestern 56 Jahre alt wurde, war gerade zum Präsidenten der Kölner Verfassungsschutzbehörde berufen worden. Wie dünn die Luft an der Spitze eines Amtes sein kann, das sollte der Jurist erst zehn Monate nach seinem Amtsantritt erfahren, als er überraschend vom damaligen Kanzler Kohl zum Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach auserkoren wurde.

Einem einzelnen hatte der Bundeskanzler aufgebürdet, den Geheimdienst aus den hausgemachten Krisen und aus den Schlagzeilen herauszuführen. Und Geiger ging mit einer bis dahin nicht gekannten Offenheit ans Werk. Zuwenig Flexibilität im Denken, mangelnde Kreativität, nicht zuletzt fehle es an Phantasie – die Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes rieben sich bei Geigers Kritik verdutzt die Augen. Für ein wenig Glasnost sorgte Geiger schon in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft. Vier Jahrzehnte hatte am Eingang des BND-Geländes ein altertümliches Schild mit der bewußt irreführenden Aufschrift „Behördenunterkunft“ geprangt. Zu seiner Amtseinführung ließ der Neue die Tafel abhängen und durch eine Leuchtschrift „Bundesnachrichtendienst“ ersetzen. Der neue Staatssekretär im Ressort von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin kennt den Wert symbolischer Gesten.

Geiger hatte in Pullach keine Hausmacht hinter sich. Er konnte sich in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit gegen die Seilschaften im BND nicht durchsetzen. Geiger blieb den Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes suspekt, hatte er doch Jahre früher in seiner Funktion als Datenschützer die Geheimhaltung staatlicher Akten als „Akt des Mißtrauens gegenüber dem Bürger“ bezeichnet. Solches sei für „Obrigkeitsstaaten typisch“. Es gelte, statt eines „gläsernen Bürgers einen gläsernen Staat zu schaffen“.

Zuletzt erschütterte die Affäre um Volker Foertsch, den Abteilungsleiter für Sicherheit und Spionageabwehr, im Mai den Pullacher Geheimdienst. Der BND-Direktor geriet in den Verdacht, ein Maulwurf der Russen zu sein. 16 Monate lang wurde amtsintern gegen Foertsch ermittelt, sein Büro mit Wanzen bestückt und der Verdächtige mit versteckten Kameras überwacht. Die Bundesanwaltschaft übernahm den Fall, doch der Verdacht ließ sich nicht erhärteten, die Indizien waren möglicherweise sogar Fälschungen. Vieles deutete daraufhin, daß der Fall Foertsch von Anfang an eine Intrige im BND war – „das haustypische Gebräu aus wenig Fakten und vielen Fiktionen“, wie die Süddeutsche Zeitung urteilte. Das Verfahren wurde eingestellt. Zurück blieb ein angeschlagener Präsident Geiger, der in seinem Haus Bestrebungen sah, die nicht nur seine „Reputation, sondern auch die bürgerliche Existenz“ zerstören wollten.

Geiger dürfte es nicht schwer gefallen sein, dem Ruf ins Bundesjustizministerium zu folgen. Der parteilose Jurist hat eine weite Karriereschleife gezogen. Geboren wurde er 1942 als Sohn einer deutsch-österreichischen Beamtenfamilie in Brünn, Abitur machte er in Kempten im Allgäu. Jura und Politikwissenschaften studierte er in Hamburg und München. Von 1962 bis 1972 arbeitete er erst in der Datentechnik bei Siemens, dann in der Abteilung Datenverarbeitung bei der Bayerischen Staatskanzlei. Von 1974 bis 1977 war er Staatsanwalt und Richter, wechselte danach ins bayerische Justizministerium. Es folgten zehn Jahre als Referatsleiter beim bayerischen Datenschutzbeauftragten. Bekannt wurde Geiger als er 1990 nach Berlin ging und als Direktor half, die Stasiaktenbehörde aufzubauen. Geiger ist ein Liberaler. Als er 1995 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde, goutierten selbst frühere Bürgerrechtler aus der DDR diese Personalentscheidung. Als Geiger später Chef des Bundesnachrichtendienstes wurde, sagte Joachim Gauck damals über seinen früheren Direktor: „Glauben Sie bloß nicht, daß der da glücklich wird.“

Die Geheimdienstler in Pullach, die ihrem Chef den Satz, „ein Nachrichtenmann war er nicht“, hinterherrufen, werden Geiger wohl kaum ein persönliches Geschenk zum Abschied überreichen. Geiger wird dann den Speer in der Glasvitrine in seinen neuem Büro wieder aufbauen müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen