piwik no script img

Spione leben nicht nur von der Côte d'Azur

■ Verfassungsschützer und Innensenator warnen den Mittelstand vor Betriebsspionage

Zumindest gemessen an der Gästeliste, müssen große Gefahren drohen. Innensenator Jörg Schönbohm und sein Statssekretär Kuno Böse ohnehin, Polizeipräsident Hagen Saberschinsky als Verstärkung und dazu die Reihe der Verfassungsschutzchefs: vom Berliner Amt Eduard Vermander, aus Brandenburg Hansjörg Förster und vom Bundesamt Peter Frisch.

Doch nicht der Terrorismus von links oder rechts oder gar das Wirken der kurdischen PKK stand am Dienstag abend im Roten Rathaus auf der Tagesordnung. Recht fachentfernt trafen sich die Hüter der innerstaatlichen Ordnung auf Einladung des Unternehmerverbandes Berlin-Brandenburg, um über die Gefahren zu diskutieren, die der Berliner Wirtschaft drohen. Im „Sicherheitspolitischen Forum für den Mittelstand“.

Schirmherr Schönbohm eröffenete die Veranstaltung, zu der etwa 200 Unternehmer gekommen waren, mit einer kurzen Erläuterung, inwiefern der Schutz der regionalen Wirtschaft Aufgabe des Landes sei. „Die Wirtschaft ist ein wichtiger Garant für Arbeitsplätze in der Stadt“, betonte Schönbohm, Gefahren insbesondere durch Spionage beträfen deshalb auch das Land. Gerade Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz und im intensiven wirtschaftlichen Austausch mit Osteuropa stehend, sei Ausspähungsziel. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat eigens zu diesem Thema eine Infobroschüre herausgegeben.

Spionage war auch das Thema des Hauptreferenten der seminarartigen Tagung, Peter Frisch. Zunächst jedoch zählte Frisch die Gefahren auf, die aus der linksextremistischen Ecke drohen: Die Betriebe, die Asylbewerberheime versorgten, stünden da im Visier von links, private Wachdienste, Regierungsbauten besonders in der neuen Bundeshauptstadt Berlin und „selbstverständlich“ Banken. Da sich aber die RAF aufgealöst habe und man von den Revolutionären Zellen nichts mehr höre, seien derzeit von terroristischer Seite keine Anschlagsplanungen bekannt. Derartiges gebe es auch im streng beobachteten antiimperialistischen Spektrum nicht. Vom Ausländerextremismus drohe vor allem türkischen regierungstreuen Betrieben Gefahr. Der Rechtsextremismus indes ziele nicht auf die deutsche Wirtschaft.

Dennoch drohe Gefahr. Die Berliner Unternehmer sollten, so Frisch, den Aspekt der Spionage ernster nehmen. Noch immer sei das Bild geprägt von Agentenfilmen, „von Spionen an der Côte d'Azur, Agenten von Models umgeben“, doch Wirtschafts- und Industriespionage sähen ganz anders aus. „Man sprengt keine Panzer“, so Frisch, „man kauft die Person, die den Schlüssel zum Panzerschrank besitzt.“

Besonders betroffen sind nach Frischs Analyse Unternehmen der Mikroelektronik, der Energietechnik, der Metallurgie, die chemische Industrie inklusive Gentechnik, die Umwelttechnik und die Verkehrstechnik. Darüber hinaus müsse man sich klarmachen, daß für Spionage durch andere Unternehmen wie für die anderer Staaten – insbesondere der GUS-Staaten – auch der Stand der Forschung, die Organisationsmodelle und die Personenkonstellationen mehr als interessant seien.

Die Veranstalung am Dienstag war erst ein Auftakt, der einen Überblick bieten sollte. In loser Folge plant der Unternehmerverband mit dem Berliner LfV Workshops, in denen es unter anderem um Datensicherheit, Schutz vor leichtfertiger Weitergabe von Wissen und das Erkennen von Sicherheitslücken im eigenen Unternehmen gehen soll. Barbara Junge

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen