: Hunderttagefragen
Zack, zack! macht es, wenn Madeleine Albright etwas zu verkünden hat. Dann kann sie nichts weniger vertragen als gepflegtes Diplomaten-Geplänkel. Wer Feind ist, hat Pech. So ließ sie Haitis Militärjunta vor der Intervention amerikanischer Truppen wissen: „Sie können freiwillig verschwinden – und zwar schnell, oder Sie können unfreiwillig verschwinden – und zwar schnell.“
Da ist es ein Glück für Deutschland, daß Joschka Fischer bei der weltmächtigsten Diplomatin gnädig aufgenommen wurde. Und wie! „Passen gut zusammen“, erklärte Bild. Eloquenter Small talk, feixende Zeichensprache mit gegenseitigen Zupfhinweisen auf die grüne Krawatte des Deutschen und das grüne Kleid der Amerikanerin. Dazu dieser Satz von Fischer: „Hinfort sind wir Madeleine und Joschka füreinander.“
Madeleine? Joschka? Duzt sich Fischer mit der US-Außenministerin? Es wäre dies ein Meilenstein deutsch-amerikanischer Freundschaft.
Warum duzen sich Joschka Fischer und Madeleine Albright?
Nun, gibt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes zu bedenken, von duzen könne ja in dem Fall keine Rede sein. Denn in der englischen Sprache gebe es ja diesen Unterschied nicht. You ist eben You. Aber daß sie sich mit Vornamen anreden, das ist doch schon was Besonderes? Anredeformen wie „Exzellenz“ seien ja ohnehin längst „antiquiert“, meint der Beamte. Und innerhalb der EU beispielsweise redeten sich die Minister „üblicherweise“ mit Vornamen an. Das hänge davon ab, wie häufig sich Minister treffen: „Nato, G 7, G 8 – da rückt man schnell nahe zusammen.“ Also nichts Besonderes mit Joschka und Madeleine? Nichts Besonderes. Albright redete Fischers Vorgänger Kinkel sogar mit „my good friend Klaus“ an. Was ist da schon ein schnödes „Tschoschka“?
Aber ist es nicht Zeichen genug, daß sich Fischer und Albright schon bei der allerersten Begegnung beim Vornamen riefen!? Allerdings, das sei richtig, bestätigt das Auswärtige Amt stolz. Und es zeige, „welch' guten Draht die beiden gefunden haben“. Na bitte. Georg Löwisch
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