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Zähes Ringen um Klimapolitik

Der neue deutsche Umweltminister Trittin weckt beim Klimagipfel viele Hoffnungen. Doch die Verhandlungen kamen bis gestern kaum voran  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Die Nächte in Buenos Aires sind lang. Von Donnerstag auf Freitag wurde auf dem Klimagipfel bis vier Uhr morgens getagt, um einen Arbeitsplan zur Umsetzung des Kioto-Protokolls über die Eindämmung der Treibhausgase zu erstellen. In dem Beraterzirkel saßen Vertreter von 34 Staaten, unter ihnen der frischgebackene Umweltminister Jürgen Trittin, der in Buenos Aires seinen ersten Auslandseinsatz als Bundesminister absolviert. Viele deutsche Umweltverbände setzen große Hoffnungen in ihn, bemerken aber auch, daß seine Vorgängerin, Angela Merkel, für regierungsunabhängige Organisationen (NGO) wesentlich mehr Zeit mitgebracht hätte. Dennoch: Sein Auftritt in Buenos Aires „war ermutigend“, befand Christoph Bals von Germanwatch. Wenn Trittin in den Konferenzpausen vom Plenarsaal in die deutsche Box auf der Konferenz eilt, muß er am Stand des Verbandes der deutschen Energieversorger (IZE) vorbei. Bei offener Tür, gut versorgt mit belegten Brötchen und Kaffee, beäugt man hier den neuen Minister eher kritisch. Die IZE-Funktionäre preisen in Pressemitteilungen die wichtige Rolle der Atomenergie beim Klimaschutz.

Der neue Minister freilich sieht das ganz anders. In jedes Mikrophon sagt er: „Der Ausstieg aus der Atomenergie ist die Voraussetzung für die Erreichung der deutschen Klimaziele“, da es darum gehe, „eine neue Energiestruktur“ zu schaffen. Auch viele Entwicklungsländer sehen in Trittin einen Hoffnungsträger, da er offenbar für eine Annäherung zwischen EU und Entwicklungsländern sorge. Doch bis zum gestrigen letzten Tag der Konferenz hat sich noch nicht viel bewegt. Zwar haben die USA das Kioto-Protokoll unterzeichnet, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, von einer Ratifizierung sei man weit entfernt. Man sei „definitiv noch nicht am Ziel“, erklärte auch die EU-Kommissarin für Umwelt, Ritt Bjerregaard. Bis Redaktionsschluß war eine Einigung zwischen den USA, die den freien Handel mit Verschmutzungslizenzen fordern, und der EU, die für eine Obergrenze dabei eintritt, nicht abzusehen.

Die EU will Sanktionsmaßnahmen für Klimasünder. Auch soll „heiße Luft“ nicht zugelassen werden: Emissionen, die etwa in Rußland durch den Zusammenbruch der Industrie gar nicht erst entstehen, sollen nicht als CO2-Reduktionen handelbar sein. Auch der Indonesier Panangian Siregur, Sprecher der Entwicklungsländer, betonte, daß die Reduzierung von Treibhausgasen im eigenen Land Vorrang haben sollte. Die Organisation der erdölexortierenden Länder (OPEC) dagegen forderte Kompensationszahlungen für ihre Einkommensverluste durch einen geringeren Verbrauch von Öl.

Die Troika der Umweltminister aus Großbritannien, Österreich und Deutschland hatte die EU- Länder wieder auf einen gemeinsamen Kurs gebracht. Statt wie bisher zuerst mit den USA zu verhandeln und dann mit den Entwicklungsländern zu diskutieren, änderte die EU die Taktik: Sie kamen den Entwicklungsländern entgegen, um dann als größerer Block den Bremsern aus den USA entgegenzutreten.

Ein Sprecher von Greenpeace meinte zur Unterzeichnung des Kioto-Abkommens der USA: „Sich für den Start anzumelden und tatsächlich das Rennen zu laufen, sind leider zwei verschiedene Dinge.“ Die USA legten der Einigung einen weiteren Stein in den Weg: Sie wollten nur ratifizieren, wenn die Entwicklungsländer sich ebenfalls verpflichteten, den CO2-Ausstoß nicht weiter wachsen zu lassen. Das aber lehnen die Entwicklungsländer strikt ab.

An den neuen deutschen Minister mit der Solararmbanduhr und den dunklen Anzügen hat jeder andere Erwartungen. Mohamed Khaleel vom Umweltministerium der Malediven erwartet von Trittin „mehr Druck zur Rettung unserer Inseln“. Und ein Delegierter der Fidschi-Inseln ist der Ansicht, daß „ein grüner Minister dafür sorgen muß, daß die Welt grün bleibt“.

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