: Eldorado für Kletterer
■ Norddeutschlands größte Freeclimbing-Anlage steht in Winsen und bietet viele steile Felsnasen
Keuchend krallt sich der junge blonde Mann in den rötlichen Fels. Sein rechter Fuß tastet schon seit einer halben Minute nach einem Vorsprung. Diese Szene spielt nicht etwa in den Alpen, sondern in der gebirgslosen norddeutschen Tiefebene in Winsen/Luhe (Kreis Harburg). Im Sportzentrum „Shape“ steht seit vier Jahren eine elf Meter hohe und knapp 50 Meter breite Kletterwand. Bis vor kurzem galt sie als die größte Deutschlands. Jetzt ist sie immerhin noch die größte im Norden und zieht Kletterer von Hannover bis Flensburg an.
Beim Freeclimbing (deutsch: freies Klettern) geht es nicht um Leben und Tod, auch wenn der Begriff dies nahelegt. Die Kletterer sind durch ein Seil gesichert. Ernste Unfälle sind daher selten. „Free-climbing heißt der Sport deshalb, weil die Kletterer weder die Haken noch das Seil benutzen dürfen, um sich hochzuziehen“, erklärt Klettertrainer Jens Langholz-Deutscher. „Erlaubt sind nur die Hilfen, die der Fels selbst bietet.“
Auch in der künstlichen Kletterwand aus Granit-Nachbildung gibt es Vorsprünge und Mulden. Zusätzlich sind verschiedenfarbige Griffe eingeschraubt, die den natürlichen Gegebenheiten nachempfunden sind. Für eine bestimmte Kletterroute darf nur eine bestimmte Farbe benutzt werden.
Jens Langholz-Deutscher kam im Elbsandsteingebirge auf den Geschmack. Er beobachtete Kletterer und wußte: „Das ist mein Sport.“ Inzwischen hat er dort den Falkenstein erklommen. Häufiger fährt der 29jährige, der im Hauptberuf Sozialpädagoge ist, allerdings in den Ith, das Klettergebiet des Nordens im Weserbergland. In die Alpen zieht es ihn nicht. „Uns Freeclimbern reichen 50 oder 100 Meter hohe Felswände. Uns geht es – anders als Bergsteigern – nicht um den Berg, sondern um die Route.“
Wichtig ist dabei die Technik. „Anfänger und vor allem Männer machen oft den Fehler, daß sie sich zu sehr mit den Armen hochziehen. Dabei ermüdet man schnell. Besser ist es, die Beine geschickt einzusetzen“, weiß die 21jährige Claudia Fichtner aus Hamburg. Bei ihren Kletterübungen in Winsen hat sie festgestellt, daß sie als Frau keineswegs schlechter abschneidet. Ihre Freundin Tina Schröder hat durchs Freeclimbing sogar ganz neue Seiten an sich entdeckt: „Ich wußte nicht, daß ich so ehrgeizig bin.“
Kerstin Geisel, dpa
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