: Hans Otto Bräutigam bleibt Justizminister
Nachdem Sergej Serow gefaßt wurde, will Brandenburgs Justizminister seinen Posten nicht räumen. Ministerpräsident Stolpe hat ihm gut zugeredet. Alle Parteien drängen auf vollständige Aufklärung der Flucht ■ Von Kerstin Willers
Berlin (taz) – „Ich habe mich entschieden, meine Arbeit in der Landesregierung fortzuführen.“ Diese Erklärung, die der brandenburgische Justizminister Hans Otto Bräutigam gestern morgen abgab, war mit Spannung erwartet worden nach den turbulenten Tagen in Potsdam.
Am Mittwoch hatte der parteilose Bräutigam die politische Verantwortung für den Ausbruch des mutmaßlichen Entführers Sergej Serow aus dem Gefängnis in Potsdam übernommen. Dieser hatte gestanden, 1997 den 20jährigen Matthias Hintze entführt zu haben. In einem Erdloch war Hintze erstickt.
Zunächst hatte Bräutigam Ministerpräsident Stolpe (SPD) um seine Entlassung gebeten. Stolpe hatte das Gesuch abgelehnt und am Mittwoch abend ein Gespräch mit Bräutigam geführt. Zu diesem Zeitpunkt war Serow, der Anfang Januar vor Gericht stehen soll, bereits wieder hinter Gittern. Die Berliner Polizei hatte ihn nach einem Hinweis aus der Bevölkerung in einer Wohung im Bezirk Prenzlauer Berg festgenommen.
Serow hatte sich in der Nacht zum vergangenen Sonntag vom Dach der Untersuchungsgefängnisses in Potdsdam abgeseilt. Bräutigam wird nun aufklären müssen, wie es zu dieser Flucht kommen konnte. „Ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt würde deshalb keinen Sinn machen“, sagt Stefan Ludwig, rechtspolitischer Sprecher der PDS-Landtagsfraktion zur taz. Grundsätzlich ausschließen wolle die PDS eine Rücktrittsforderung aber nicht. Bräutigam müsse alle offenen Fragen schnell beantworten. „Wenn er das nicht kann, wird es eng für ihn“, sagte Ludwig.
Bräutigam hat sich gestern mittag abermals den Fragen des Rechts– und des Innenausschusses des brandenburgischen Landtags stellen müssen. Bereits am Dienstag war Bräutigam in Bedrängnis geraten. So ist beispielsweise ungeklärt, warum Serow im Gefängnis als Hausarbeiter arbeiten durfte und das gesamte Gebäude erforschen konnte. Unklar ist weiterhin, ob Serow Fluchthelfer im Gefängnis hatte. Mindestens 18 Stunden lang hatte niemand kontrolliert, ob er noch in seiner Zelle saß, außerdem standen Gittertüren und Dachluken offen.
Ergebnisse der gestrigen Ausschußsitzung lagen bei Redaktionsschluß noch nicht vor. Auch die CDU wollte den Minister gestern noch einmal ins Kreuzfeuer nehmen. Kernfrage sei, wann das Justizministerium die Haftanstalt Postdam zum letzten Mal inspiziert habe, sagte der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Dierk Homeyer. Den Rücktritt des Ministers fordert die CDU aber nicht mehr. Homeyer erkennt an, daß Bräutigam die Verantwortung für den Ausbruch übernommen habe, er könne aber nicht nachvollziehen, warum der Minister vor Stolpe gekuscht habe.
Die SPD-Landtagsfraktion reagierte „erleichtert“ auf Bräutigams Nicht-Rücktritt. Die offenen Fragen müßten noch geklärt werden, sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Wolfgang Klein, doch insgesamt leiste Bräutigam „sehr gute Arbeit“. Den Flucht- skandal nannte Klein eine „ganz, ganz ärgerliche Geschichte“, deren Verantwortliche möglicherweise eher im Potsdamer Gefängnis zu suchen seien als im Ministerium. Hinsichtlich personeller Konsequenzen will die SPD das Ende der Untersuchungen abwarten.
In Berlin ging es gestern um die Zukunft von Sergej Serow. Der 38jährige Russe sitzt im Gefängnis Berlin-Moabit. Die Justizverwaltungen Berlin und Brandenburg wollen bald entscheiden, wo Serow seine Haft verbüßen muß. Dabei würden in erster Linie Sicherheitsbelange berücksichtigt, sagte Berlins Justizsprecherin Schröder.
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