: Mehr Durchblick in der Tonne
Kein weiteres Logo: Biologisch abbaubare Kunststoffe dürfen nach einem Beschluß des Bundesrates nicht in die Bio-Tonne geworfen werden. Umweltverbände begrüßen diese Entscheidung ■ Von Volker Wartmann
„Produkte aus biologisch abbaubaren Kunststoffen sind gleichzeitig umweltgerecht und verbraucherfreundlich“, sagt Norbert Breutmann, Ingenieur und Mitarbeiter bei Din Certco, Gesellschaft für Konformitätsbewertung mbH. Die Din Certco ist die Zertifizierungsgesellschaft des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN). Bisher besetzen Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW) lediglich einen kleinen Nischenmarkt. So sind beispielsweise die Bio-Kartoffeln einiger Produzenten in Raschelsäcke aus BAW eingepackt, die nach Gebrauch auf den Kompost zum Verrotten gegeben werden können.
Derzeit liegen die Herstellungskosten von BAW deutlich über denen konventioneller Kunststoffe auf Erdölbasis. „Die Produktion von BAW rechnet sich betriebswirtschaftlich erst dann, wenn sie über die Bio-Tonne entsorgt werden dürfen und nicht über das Duale System Deutschland (DSD)“, so Breutmann. Genau das ist nach der letzten Novellierung der Bio-Abfallverordnung nicht möglich.
Der Bundesrat hat vor zwei Wochen gegen die Einwurfmöglichkeit von BAW in die Bio-Tonne entschieden. Er berücksichtigte damit unter anderem die Bedenken vieler Entsorger, die zahlreiche Fehleinwürfe der Verbraucher in die unterschiedlichen Tonnen befürchten.
Da sich Produkte aus BAW und handelsüblichen Plastikkunststoffen äußerlich und von ihren Materialeigenschaften nicht auffällig voneinander unterscheiden, könnten zu viele konventionelle Plastikbecher in der Bio-Tonne landen, so die Bedenken des Bundesrates. Dem wollte die Din Certco durch Kennzeichnung mit einem speziellen „Kompostierbarkeitszeichen“ entgegenwirken. Anhand dieses „Kompostierbarkeitszeichens“ sollten die Verbraucher erkennen, in welche Tonne der Joghurtbecher geworfen werden muß: in die Bio-Tonne oder in die gelbe Grüner-Punkt-Tonne. Dem Bundesrat war eine Kennzeichnung der entsprechenden Produkte auf diese Art und Weise nicht genug: Sie stelle „keine zufriedenstellende Lösung“ dar, wurde in der Begründung der Entscheidung festgestellt.
Darüber hinaus bewertet der Bundesrat den Aspekt der Nützlichkeit für die Kompostgewinnung von BAW kritisch. BAW beständen in der Regel lediglich aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff und führten dem Kompost somit keine nutzbringenden Nährstoffe zu. Die Argumentation des Bundesrates wird von der Bundesgütegemeinschaft Kompost e. V. und der Bundesvereinigung der Humus- und Erdenwirtschaft e. V. unterstützt.
Bisher sind von verschiedenen Firmen dreizehn unterschiedliche BAW entwickelt worden, die die von der Din Certco ausgearbeitete DIN-Norm für Kompostierbarkeit erfüllen. „Diese DIN-Norm für BAW schreibt vor, daß BAW in gewerblichen Kompostieranlagen einfachster Bauart innerhalb von dreißig Tagen verrotten müssen“, so Din-Certco-Mitarbeiter Norbert Breutmann. Offensichtlicher Nachteil dieser Kriterien: Eine Verrottung von BAW bei Heimkompostierung im eigenen Garten ist nicht garantiert, weil hier die erforderlichen Temperaturen nicht für alle zertifizierten BAW gesichert sind.
Biologischer abbaubarer Kunststoff ist zudem nicht gleich biologisch abbaubarer Kunststoff. BAW können sowohl aus nachwachsenden Rohstoffen wie beispielsweise Zuckerrüben-, Kartoffel- oder Maisstärke hergestellt werden, aber auch auf Erdölbasis. „Das Abbauverhalten ist nicht von der Herkunft der Rohstoffe abhängig, sondern allein von der sogenannten Polymerstruktur der Werkstoffe“, sagt Breutmann. Die von den großen Chemiekonzernen entwickelten BAW basieren auf Erdölbasis.
Auf hauptsächlich nachwachsenden Rohstoffen basieren die BAW, die von kleineren Firmen entwickelt wurden. Nach Angaben aus Insider-Kreisen wird der größte US-amerikanische Produzent von BAW aus nachwachsenden Rohstoffen seine Forschungen auf diesem Gebiet demnächst einstellen. Offensichtlich hält er den BAW-Sektor für nicht zukunftsträchtig. Umweltverbände begrüßen die Entscheidung des Bundesrates, daß BAW-Produkte nicht in die Bio-Tonne geworfen werden dürfen. „Schon jetzt ist ein großer Teil der Verbraucher mit der Mülltrennung überfordert“, sagt Gudrun Pinn, Vorsitzende des Landesvereins der UmweltberaterInnen Berlin e. V. und Mitarbeiterin bei Müllnetz e. V. „Ein weiteres Logo würde für noch mehr Irritationen bei den Verbrauchern sorgen.“ Die Bio- Tonne müsse durch strenge Kriterien vor Fehleinwürfen so gut wie möglich geschützt werden.
Olaf Bandt, Abfallexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz e. V. (BUND) stellt in Frage, ob BAW-Produkte wirklich so umweltfreundlich sind, wie von der dahinterstehendenden Lobby, der Interessengemeinschaft BAW, behauptet wird. „BAW sind nicht der Königsweg. Bisher wurden für BAW noch keine umfassenden Ökobilanzen erstellt“, so Bandt. „Eine ausgeweitete Produktion würde die weitere Intensivierung der Landwirtschaft erfordern, die unter ökologischen Gesichtspunkten alles andere als sinnvoll ist.“ Zudem sei die Nachfrage bei einer vermehrten Kompostproduktion nicht gesichert.
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