: Umzingelt, getreten, festgehalten
■ Polizei in Hannover bringt Jungs Selbstbewußtsein bei
Hannover. Vor einem Jahr hat Jonathan nicht geschrien. Drei Jugendliche hatten ihn damals in einer abgelegenen Straße umzingelt, getreten und festgehalten: „Ich konnte gar nichts machen und wollte bloß, daß die endlich abhauen“, erzählt der Elfjährige. Heute, davon ist er überzeugt, würde er sich in so einer Situation anders verhalten: „Ich würde versuchen, wegzulaufen und laut Feuer rufen, damit Leute aufmerksam werden.“ Gelernt hat er das in einem Selbstbehauptungskurs für Jungen, veranstaltet von der Polizei Hannover.
„In den vergangenen Monaten sind immer mehr Jugendliche Opfer von Straßenraub und Erpressung geworden“, erzählt Polizeioberkommissar Thomas Müller, der den Kurs zusammen mit einem Religionspädagogen leitet. 90 Prozent der Betroffenen seien Jungen gewesen: „Im Bereich Hannover wurden 1997 insgesamt 378 Jungen und 39 Mädchen zwischen sechs und 18 Jahren auf der Straße überfallen.“
In dem Kurs lernen die elf- bis 13jährigen Jungen in Rollenspielen und Gesprächen, wie sie sich im Notfall verhalten sollten. Einen wichtigen Teil nehmen Übungen zur Wahrnehmung ein: „Die Kinder müssen möglichst früh erkennen, ob eine Person Böses im Schilde führt, denn dann ist noch Zeit zu Handeln“, erläutert Müller. Christopher weiß jetzt, daß er im Fall der Fälle „energisch sein muß“: „Ich stampfe mit dem Fuß auf oder zeige dem anderen mit den Händen, daß er stehenbleiben soll.“ Es sei nötig, dem Angreifer direkt in die Augen zu schauen: „Wenn ich weggucke, meint der, er kann machen, was er will“, so Christopher.
„In Notsituationen dürfen auch Jungen schreien und Schwäche zeigen“, betont Religionspädagoge Christoph Grote. Angst sei ein wichtiges Warnsignal: „Sie läßt uns in kritischen Situationen oft konzentrierter und zielgerichteter handeln.“ Jungen meinten jedoch viel zu oft, daß es nicht zu ihrer Männerrolle paßt, Angst zu haben. Deshalb sei es auch gut, daß ausgerechnet die Polizei den Kurs anbiete: „Gerade Polizisten werden im Fernsehen oft als Helden dargestellt. Aber ich kann den Jungen zeigen, daß in Wirklichkeit auch meine Kollegen und ich manchmal Angst haben“, sagt Müller.
Den Jungen hat der Kurs viel gebracht: „Ich glaube, ich werde in einsamen Gegenden jetzt weniger Angst haben als früher“, ist sich Jonathan sicher. „Wenn jemand mir was Böses will, weiß ich, was ich tun kann.“ Petra Albers/dpa
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