: Gericht stoppt Rammen in der Ems
■ Schlappe für Niedersachsens Landesregierung: Verwaltungsgericht Oldenburg ordnet sofortigen Baustopp für das Emssperrwerk an / „Erfolg für Naturschutz“ / Beschwerde angekündigt
Nonnengänse und andere Vogelarten können vorerst wieder ungestört ihre Rastflächen im Deichvorland der Ems anfliegen. An der Mündung des Flusses ruhen seit Mittwoch die Bauarbeiten. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einen sofortigen Baustopp für das umstrittene Emssperrwerk bei Gandersum angeordnet.
Die Richter haben die aufschiebende Wirkung einer Klage des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) gegen das Sperrwerk wieder hergestellt. Umweltschützer hoffen, daß die Entscheidung über den Eilantrag ein Indiz für den Ausgang des Hauptverfahrens ist, mit dem das Sperrwerk noch verhindert werden soll. Bis zur Hauptverhandlung ruhen jetzt die Arbeiten.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts ist eine Schlappe für die Bezirksregierung Weser-Ems und die niedersächsische Landesregierung. Trotz der anhängigen Klagen und 1.500 Einwendungen hatten der damalige niedersächsische Regierungschef Gerhard Schröder (SPD) und der Papenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Seiters im September mit dem ersten Rammschlag die Arbeiten begonnen. Das Sperrwerk soll 353 Millionen Mark kosten, die sich Land und Bund teilen.
Weser-Ems-Regierungspräsident Bernd Theilen kündigte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg an. Die Begründung der Verwaltungsrichter sei „in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbar“. Nach Theilens Meinung ist der sofortige Vollzug des Baus zulässig, weil das Sperrwerk für den Sturmflutschutz gebraucht werde. Kritiker zweifeln diesen Zweck des Bauwerks generell an: Ihrer Ansicht nach dient der 476 Meter breite Riegel vor allem dazu, die Ems aufzustauen, um Kreuzfahrtschiff-Neubauten der Meyer-Werft von Papenburg ins offene Meer bringen zu können.
Andreas Biek vom kleinen Umweltverband LBU rechnet sich nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts gute Chancen aus, das Hauptverfahren zu gewinnen. Im einzelnen haben die Oldenburger Richter der Bezirksregierung Versäumnisse in drei Feldern vorgeworfen. Erstens sei vor Baubeginn nicht ausreichend geprüft worden, ob es sich bei den Vorlandflächen bei Nendorp und Petkum nicht um Flächen handele, die nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU als Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden müßten. Zweitens hätten die Behörden nicht ausreichend geprüft, ob das offizielle Ziel des Sperrwerks, der Schutz vor Hochwasser, nicht auch anders zu erreichen wäre. Eine Erhöhung der Deiche als Alternative sei von Anfang an ausgeschlossen worden, rügten die Richter.
Der dritte Punkt ist besonders pikant: Die Planer hätten nicht geprüft, ob nicht vielleicht erst die wiederholte Ausbaggerung der Ems die Sturmflutgefahr ausgelöst haben könnte. Im Januar muß das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg befinden, ob die letzte Vertiefung des Flusses auf 7,30 Meter rechtens gewesen ist.
Regierungspräsident Theilen sagte dazu, Gebiete mit europäischer Bedeutung für den Naturschutz seien von den Bauarbeiten nicht beeinträchtigt. Auf die im Planfeststellungsbeschluß vorgesehenen umfangreichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sei das Gericht nicht eingegangen. „Unverständlich“ sei zudem, warum das Gericht die Möglichkeiten für einen Rückbau der Ems in seine Abwägung einbezogen habe.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag begrüßten den Baustopp: „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, daß die Landesregierung tricksen wollte“, sagte der umweltpolitische Sprecher Christian Schwarzenholz. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, die Auricher Bundestagsabgeordnete Gila Altmann (Grüne), sprach von einer „schallenden Ohrfeige für die planfeststellende Bezirksregierung“. Die Zeit der Planung nach Gutsherrenart sei vorbei.
Die großen Umweltverbände BUND, NABU und WWF, die für ihren eigenen Eilantrag gegen das Sperrwerk in Kürze eine Entscheidung erwarten, erinnerten an ihren Vorschlag, die Existenz der Meyer-Werft mit ihren rund 1.800 Arbeitsplätze zu sichern, ohne die Ems zu zerstören. Nach dem Konzept sollte Meyer, um Tiefgang zu sparen, nur die Rohbauten in Papenburg fertigen und die Ausrüstung in Werften in Wilhelmshaven oder Bremerhaven machen. Auch ein Umzug der Werft nach Emden wurde vorgeschlagen. jof/schuh
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