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Vom Serienkriminellen zum Medienstar

Im Fall „Mehmet“ gibt es jetzt zwei Gewinner: den jungen Türken und derzeitigen Medienstar – und seinen früheren Gegner, Münchens CSU-Hardliner Hans-Peter Uhl. Uhl befürchtet jetzt negative Vorbildwirkung  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Ich kann den Namen Mehmet bald nicht mehr hören.“ Münchens ehemaliger Kreisverwaltungsreferent und CSU-Bundestagsabgeordneter Hans-Peter Uhl reagiert sichtlich genervt. Die Medienkarriere des in die Türkei abgeschobenen 14jährigen Straftäters Muhlis A., alias „Mehmet“, macht dem Mann, der die Abschiebung des Jugendlichen von Anfang an forciert hatte, inzwischen schwer zu schaffen.

„Es ist ein verheerendes Signal für alle in Deutschland lebenden jugendlichen Ausländer, wenn ein Serienkrimineller im Ausland zum nationalen Volkshelden wird“, sagte Uhl zur taz. Noch ein Schreck für Uhl: Der Jugendliche will unbedingt nach Deutschland zurück.

„Grotesk“, „absurd“ und „verrückt“ sind die Lieblingsvokabeln des sich gerne als Hardliner gerierenden Uhl für die Ereignisse nach der Ankunft des Jugendlichen vor zehn Tagen in Istanbul. Muhlis A. wurde damals von einer ganzen Schar türkischer und deutscher Reporter begleitet. Statt in einem Heim für Straßenkinder stieg er in einem Hotel ab, das, so sein Anwalt, von „dritter Seite“, also von Medienorganen, bezahlt wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag.

Das türkische Massenblatt Hürriyet kürte A. zum „sympathischsten Menschen in Istanbul“, nächste Woche tritt er im Musikvideosender Kral TV als Discjockey auf und der Privatsender Interstar plant mit ihm als Hauptdarsteller eine Fernsehserie.

Vorbei die Zeit, als Hans-Peter Uhl die kriminelle Karriere des Jugendlichen im Vorfeld der bayerischen Landtags- und der Bundestagswahlen zum Thema gemacht und – bis dahin einmalig in Deutschland – die Ausweisung des in München geborenen Jugendlichen samt der Eltern verfügt hatte.

Uhl kalkulierte den öffentlichen Aufschrei gegen diese bayerische Art der „Sippenhaft“ und der Kriminalitätsbekämpfung via Abschiebung ein. Seine Popularitätswerte schnellten in München dramatisch in die Höhe. Am heutigen Samstag wird er von der Münchener CSU als Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl 1999 nominiert. Ohne den plötzlichen bundesweiten Ruhm wäre Uhl kaum so weit gekommen. Nicht nur gab es anfangs einen starken Mitbewerber, der schließlich resigniert aufgab, sondern Uhl hatte auch einen mächtigen Gegner: Der Münchener CSU-Chef Gauweiler, selbst als Scharfmacher bundesweit bekannt geworden, hatte seinen innerparteilichen Rivalen Uhl um jeden Preis verhindern wollen – vergeblich.

Nachdem Muhlis A. im Juli dieses Jahres, gerade 14 und damit strafmündig geworden, mit einem schweren Raub mit Körperverletzung seine 62. Straftat begangen hatte und dafür zu einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden war, billigte schließlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Nichtverlängerung seiner abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis. Auch das Bundesverfassungsgericht mochte am 13. November die sofortige Abschiebung nicht mehr stoppen. Einen Tag später saß der Jugendliche im Flugzeug nach Istanbul und Bayerns Innenminister Günther Beckstein lobte sich und insbesondere Uhl für das „konsequente Vorgehen“.

„Eins zu zehntausend“ bezifferte Beckstein damals die Chancen für eine Rückkehr von A. nach Deutschland. Uhl ist da skeptischer. Der Junge werde jetzt vermarktet, dann aber wahrscheinlich „weggeworfen wie eine ausgequetschte Zitrone“.

Der Jugendliche erklärte vorgestern in einer Live-Zuschaltung aus Istanbul für eine RTL- Talkshow, er würde „alles tun für eine Rückkehr nach Deutschland“. Er entschuldigte sich für seine Taten, er wisse selbst nicht, warum er das gemacht habe. Die Abschiebung nannte er ungerechtfertigt. „Die behandeln mich nicht wie ein Kind, sondern wie ein Monster.“

Freude über seine schnelle Integration in der Türkei kommt bei Hardliner Uhl nicht auf. Mit den positiven Schlagzeilen in den türkischen Medien habe man „das Gegenteil dessen erreicht, was wir wollten“, räumt Uhl ein, aber von Fehlern will er nichts wissen.

Während Beckstein kurz vor der Abschiebung noch frohlockte, daß er gegen „ein härteres Hinlangen der türkischen Justiz“ nichts einzuwenden hätte, ist es für Uhl kein Problem, daß der Jugendliche seine einjährige Gefängnisstrafe nun nicht verbüßen muß. „Abschieben ist billiger als der Aufenthalt im Gefängnis, so banal kann ein nationales deutsches Interesse sein.“

Uhl will auch das Verfahren gegen die Eltern, weil sie ihre Pflichten als Erzieher sträflich vernachlässigt hätten, weiterbetreiben. Daß sie ihren Sohn nicht einmal in die Türkei begleitet hatten, mache, so Uhl, „dem Dümmsten klar, wie wenig sie sich um ihn kümmern“ würden.

Muhlis Mutter hatte zuvor erklärt, aus Angst, ihnen könnte die Wiedereinreise verweigert werden, hätten sie und ihr Mann auf einen Flug nach Istanbul verzichtet.

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