: Fünfstelliges für die Flamme
■ Warum es richtig ist, Frauen Schmuck zu schenken. Oder wenigstens toll. Eine Schmuck-Show beim BMW-Händler in Habenhausen
llein schon Petra! Wann hat man das denn mal, daß eine klasse aussehende PR-Blonde der Firma Communication with a smile einen ausdrücklich auffordert, ihr Decolleté zu begutachten. Welches geziert wird von einem Collier mit anhängendem diamantenschwerem Goldherz. Alles zusammen 13.000 Mark wert. Muß sie nach der Show aber wieder abgeben. Was Petra angeblich nichts ausmacht, denn: „So herzig bin ich gar nicht.“ Na na, ob das stimmt, Petra, ist man versucht zu gurren. Und was stimmt überhaupt? Stimmt, was man hier alles sieht? Kann man noch seinen Ohren trauen? Ist man als Mann eventuell verpflichtet, Petra dieses Collier zu kaufen? Dieser Abend ist geeignet, Männer um den Verstand zu bringen. Von Frauen ganz zu schweigen.
Dienstag abend trafen sich beim Bremer BMW-Händler im Gewerbegebiet Habenhausen rund 300 Leute, die entweder BMW fahren oder in der Sögestraße Schmuck einzukaufen pflegen. Oder beides. Am liebsten beides, denn es geht um Synergie. Untersuchungen der Juwelierbranche haben gezeigt, daß, wer BMW fährt, auch Fünfstelliges für seine Flamme auszugeben bereit ist. Also warfen BMW und das Bremer Schmuckhaus Brinckmann & Lange die Kundenkarteien zusammen und präsentierten die Wellendorff-Schmuck-Show. Mit, aber ja, „internationalen Models“.
Internationale Models sind gertenschlanke Wesen, die in der Lage sind, auf Kreti und Pleti zuzugehen, sie unglaublich persönlich anzulächeln und dabei ihr Dekolletè zu entblößen, ohne sich zu schämen. Gleichzeitig müssen sie auch noch aufrecht stehen können, wenn an ihrem Hals Gold und Diamanten für eine halbe Million hängen. Solche Spezialbegabungen hat die traditionsreiche Pforzheimer Schmuckfirma Wellendorff aufgeboten, um ihre „Goldcreationen“ in Bremen bekannt zu machen.
Wie sehen Männer aus, die nicht ganz ausschließen, ihrer Frau zu Weihnachten ein Collier zu kaufen, das aussieht wie ein Strick, aus 18-karätigem Gold ist und 44.400 Piepen kostet? Wie sind die Frauen, die am Heiligabend dahinschmelzen und danke hauchen? Wie du und ich, ist man versucht zu jubeln. Allerding hat sich niemand hergetraut, der nicht vorher ganz tief in seine Schmuckschatulle gegriffen hätte. Der BMW-Verkäufer hat wenigstens eine geerbte Krawattennadel aufgetrieben. Eine mutmaßliche Marketenderin – genau die, die jedes der elfengleichen Models durchaus abschätzig mustert und dabei Kaugummi kaut – hat sich eine wahre Skulptur aus orangen Monsterklunkern in den Busen geklemmt. Manches Mal stippt auch nur ein winziges Stückchen Kette über den Rand des schwarzen Rollis oder eine Zuchtperle krallt sich in den Ohrlapp.
Die einzigen, die wirklich anders aussehen als du und ich, sind die Gebräunten. Die mit der jedenfalls im Moment unangemessen kack-frechen Sonnenbräune im Gesicht. Wie der Chef einer Event-Marketing-Firma, der eine Uhr am Arm trägt, die 22.000 Mark kostet, wie er hocherfreut erzählt. Übrigens BMW-Fahrer.
Der Chef des Autohauses ist Reinhard Stange, ein steifer Mensch, der einmal haarscharf ein großartiges Wortspiel verpaßt. „Was der 7er BMW braucht, darüber müssen wir nicht diskutieren,“ spricht er eingedenk des erstaunlichen Spritkonsums seiner Luxusklasse, leider ohne salopp zur Klunkershow überzuleiten wie z.B. so: „Aber was Frauen brauchen, darüber müssen wir hier und heute einmal sprechen!“ Tatsächlich sind dieser Abend, dieser Schmuck, diese Musik („Diamond are a girl's best friends“) eine einzige „Ode an die Weiblichkeit“ (so Moderator Uli Karcher, ein Mensch mittleren Alters und trotzdem noch mit so vollem Haar gesegnet, daß sich einem zwangsläufig das lustige Bild von Uli Karcher mit Vollglatze aufdrängt). Vielleicht darf man den Gedanken Karchers so komplettieren: Andy und Carmen und erst recht Roslyn, die sich mit unfaßbarem Stechschritte durch die Reihen der BMW-Fahrer einen Weg bahnen und ohne Unterbrechung ihr Intensivlächeln verstrahlen, sind eine einzige Ode an die Männlichkeit, also an die Kreditwürdigkeit.
Sicher: Dem Nüchternen würden Uli Karchers Sätze einen Ausschlag auf den Hals jagen: „Die patentierte Seidenkordel trägt sich wie reine Seide auf der Haut, ein sinnliches Erlebnis, mit ihrem sanften Schimmer verführt sie zum Berühren, ein Collier für außergewöhnliche Frauen, die die Weiblichkeit lieben undsoweiterundsofort.“ Doch der Wahn hat alle Anwesenden bereits angefaßt und davongetragen. So wird aus Uli Karchers Gequake Musik. Als dann auch noch die Königin von Saba, ein 9,12-karätiger lupenreiner Diamantenbrocken gezeigt wird und Karcher nach einer dramaturgisch geschickten Pause den Preis fallengelassen hat (515.000 Mark, ja doch), da stöhnt das Publikum unisono laut auf. In diesem Moment fliegen Leute, die im wirklichen Leben noch nicht mal einen VW-Polo finanzieren könnten, solcherlei Gedanken an: Was sind schon 500.000 Mark angesichts der Unermeßlichkeit meiner (denkbaren, möglichen, eventuellen) Liebe!?
Bei Tageslicht betrachtet gibt es – hach ja – zum Thema sechsstelliger Schmuck unterschiedliche Meinungen. Junge Menschen neigen dazu, Schmuck für überflüssig zu halten, weil (nur) Liebe schön macht. Arme und knapp Gehaltene halten Schmuck für einen Skandal. Kritische Frauen und solche, denen keiner Schmuck schenkt, sagen, mit Schmuck kauften alte reiche Säcke junge wehrlose Frauen. Psychologen dagegen meinen, Schmuck müsse als Ersatz für erlahmende Potenz herhalten.
Das alles ist Unfug. Der größte Unfug aber stammt komischerweise vom Bremer Schmuckhaus Brinckmann & Lange selbst: „Sie können Ihrer Frau hundertmal im Jahr sagen, wieviel sie Ihnen bedeutet – oder Sie können es ihr einmal beweisen,“ säuselt es im Katalog. Männer, die sowas versucht haben, wissen: Das klappt nicht. Seiner Liebsten sündteuren Schmuck zu kaufen, muß wirr sein, wahnhaft, vernunftfrei und spannend wie die Liebe selbst. Und ohne Ziel. :
BuS
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