: Fahndungstip umstritten
■ Nach der Ergreifung des geflohenen Hintze-Entführers wird ums Geld gefeilscht
Es war ein grausames Verbrechen, eine spektakuläre Flucht, und nach der Ergreifung des geflohenen Hintze-Entführers Sergej Serow droht jetzt auch noch ein Rechtsstreit um die Belohnung. Es geht um 300.000 Mark, die der Sohn des verschleppten Berliner Computerhändlers Alexander Galius nach Serows Ausbruch aus der Potsdamer Justizvollzugsanstalt (JVA) vor zwei Wochen in Aussicht gestellt hatte. Anspruch auf die Belohnung erhebt der Berliner Frank Lesinski, dessen Hinweis die Polizei vier Tage nach Serows Flucht auf dessen Spur gebracht hatte. Lesinski habe inzwischen einen Rechtsanwalt eingeschaltet, sagte der Anwalt der Familie Galius, Axel Hodok, gestern.
Lesinski sei informiert worden, daß noch einige Fragen zu klären seien. „Es geht zunächst um die Frage, ob eine wirksame Auslobung vorliegt“, so der Anwalt. Der Computerhändler habe in zwei Interviews „von bis zu 300.000 Mark“ gesprochen. Die Höhe der Summe sei also eine Auslegungsfrage. Zudem müsse eine mögliche Tatbeteiligung ausgeschlossen werden.
Lesinski hatte Serow nach eigener Aussage im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg frierend auf einem Baugerüst aufgelesen und ihn eine Nacht beherbergt. Als er ihn erkannte, habe er die Polizei benachrichtigt, die Serow am 18. November festnahm – eine Aussage, die mittlerweile unglaubhaft erscheint. Denn gestern teilte die Potsdamer Staatsanwaltschaft mit, daß Serow mittlerweile umfassend zu seiner Flucht ausgesagt hat. Demnach gebe es erhebliche Zweifel an der Aussage Lesinskis.
Serow war mit Nachschlüsseln die Flucht aus der maroden JVA gelungen. Sein Verschwinden wurde erst vierzehn Stunden später bemerkt. Potsdams Justizminister Hans Otto Bräutigam hatte seinen Amtsverzicht angeboten, was Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) jedoch ablehnte.
Serow und sein Komplize Wjatscheslaw Orlow haben gestanden, im Herbst 1997 den Gastwirtssohn Matthias Hintze aus Geltow bei Potsdam entführt zu haben. Der 20jährige war später in einem Erdloch erstickt gefunden worden. Ferner wird ihnen die Verschleppung des Computerhändlers Galius im Sommer 1997 in Berlin zur Last gelegt, der seitdem verschwunden ist. dpa/taz
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