: "Geld sinnvoller investieren"
■ Der grüne Verkehrspolitiker und ausdauernde Kritiker der Bahnpolitik, Albert Schmidt, soll heute in den Aufsichtsrat der Bahn gewählt werden. Er will, daß die Bahn weniger Ökosteuer zahlt als geplant
Können Sie in Zukunft umsonst Bahn fahren?
Ich habe als Bundestagsabgeordneter ohnehin eine Netzkarte für die Bahn. Daran ändert sich nichts.
Was wollen Sie im Aufsichtsrat der Bahn bewegen?
Es geht darum, die Interessen des Bunds als Anteilseigner der Bahn wahrzunehmen und darauf zu achten, daß im Unternehmen wirtschaftlich, aber auch mit zukunftsfähigen Verkehrskonzepten gearbeitet wird.
Was heißt das konkret?
Bei der Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans muß auch die Bahn gegenüber dem Gesetzgeber deutlich machen, wo künftig die Schwerpunkte bei den Investitionen für die Schiene liegen sollen. Das ist sehr wichtig, denn bisher wurde viel Geld in einigen wenigen Hochgeschwindigkeitsstrecken vergraben. Im Unternehmen wächst aber die Meinung, daß die Verbesserung der Systemgeschwindigkeit mehr bringt als der überteuerte Neubau auf Einzelstrecken.
Weniger Hochgeschwindigkeit und mehr Flächenbahn?
Die Arbeit im Aufsichtsrat ist keine politische Tätigkeit, ich kann und werde dort keine Verkehrspolitik machen. Aber ich werde darauf achten, daß die begrenzten Investivmittel der Bahn wirtschaftlich eingesetzt werden. Ich will im Gespräch mit dem Unternehmen herausfinden, was die sinnvollsten Investitionen sind.
Wie wollen Sie das schlechte Image der Bahn verbessern?
Der Personalabbau hat inzwischen eine kritische Grenze erreicht. Wenn Ersatzbesatzungen für Lokomotiven nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn altes Material selten gewartet wird, kommt es zu Verspätungen und damit zum Imageverlust. Aber auch die Grundkonzepte eines zukunftsfähigen Schienenverkehrs wie Entmischung der Verkehre müssen vorangetrieben werden.
Soll die Bahn vom Bund mehr Geld bekommen?
Das wird auf der politischen Ebene verhandelt. Ich werde mich bei der Debatte um den Bundeshaushalt dafür einsetzen, daß der Koalitionsvertrag umgesetzt wird. Dort steht, daß die Trassenpreise sinken müssen. Deutschland ist der einzige Staat, wo bisher ausgerechnet die umweltfreundliche Eisenbahn für den Erhalt ihres Fahrwegs voll zur Kasse gebeten wird. Dann werde ich auf die Umwandlung der EU-Jahresvignette für Lkw in eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe nach Schweizer Modell drängen.
Sollte die Bahn wegen ihrer hohen Energiekosten von der Ökosteuer ausgenommen werden?
Die ökologisch-soziale Steuerreform darf nicht ausgerechnet die umweltfreundlichsten Verkehrssysteme wie Bahn und Bus mit untragbaren Energiekosten überlasten. Die Bahn ist auch eine energieintensive Branche, der Kostenanteil liegt bei über 12 Prozent. Auch bei öffentlichen Verkehrsbetrieben ist ein gewisser Effizienzdruck sinnvoll, aber ich bin für einen deutlich reduzierten Steuersatz im Vergleich zu den zwei Pfennig pro Kilowattstunde Strom.
Sie haben die Politik der Bahn in der Vergangenheit schwer kritisiert. Hat also auch der Aufsichtsrat nicht ordentlich gearbeit?
Nein, das muß man nüchtern sehen. Das eine ist die Führung des Unternehmens durch den Vorstand, das andere ist die Aufsicht über die wirtschaftliche Tätigkeit. Der Aufsichtsrat kann nicht ersetzen, was das alltägliche Führungsgeschäft in der Vorstandsetage leisten muß.
Sie sind einer der größten Kritiker des Bahnchefs Johannes Ludewig. Bleibt er, oder muß er gehen?
Verkehrsminister Müntefering hat klargemacht, daß er jetzt keinen Wechsel an der Spitze des Unternehmens wünscht. Damit ist für mich die Personaldiskussion beendet. Man wird bei der Bewertung der künftigen Arbeit von Ludewig neu zu entscheiden haben. Es hat das Wort gegeben von der zweiten Chance. Das muß man jetzt ernst nehmen. Interview: Bernhard Pötter
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