: Der Außenseiter unter den Entsorgern im Zwielicht
■ Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung: Sero AG gilt in der Branche als undurchschaubar
Berlin (taz) – Nach der Verhaftung von sieben Vorständen und Mitarbeitern der Firmen Sero Entsorgung und der Lösch Umweltschutz am Montag sind die Aktienkurse der beiden Unternehmen gestern zusammengebrochen. Die Kurse der Sero-Papiere sackten bis zum Mittag um mehr als 23 Prozent ab, Lösch verlor 14 Prozent. Der Aufwärtstrend am Frankfurter Neuen Markt, der Börse für junge und risikoreiche Unternehmen wie etwa Sero, wurde gestoppt.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wirft den Managern vor, mit Luftbuchungen über mehrere hundert Millionen Mark die Umsätze hochgetrieben und Bilanzen manipuliert zuhaben. Allein für die Sero AG könnten so bis zu 150 Millionen Mark für nichterbrachte Leistungen verbucht worden sein, hieß es. Die Manager stehen im Verdacht der Steuerhinterziehung und der Verstöße gegen das Börsengesetz. Da mit den manipulierten Jahresabschlüssen Kredite bei Banken beantragt wurden, vermutet die Staatsanwaltschaft auch einen Kreditbetrug durch die Firmen der Löbbert-Gruppe, zu der Sero und Lösch gehören.
Bereits im Sommer hatte ein anonymes Schreiben an die taz der Sero vorgeworfen, sie habe „Bilanzen zum Börsengang sowohl im Anlagen- als auch im Umsatzbereich in zweistelliger Millionenhöhe geschönt“. In der Entsorgungsbranche gilt die Sero seit längerem als seltsamer Außenseiter mit undurchschaubaren Geschäftspraktiken. Vor einigen Jahren hatte die Firma einen Anlauf gestartet, um dem Dualen System Deutschland (DSD) Konkurrenz zu machen. Parallel zum DSD sollte ein bundesweites Netz von Annahmestellen vor allem für Verpackungsmaterial aufgebaut werden. Woher das dafür nötige Kapital kommen sollte, war allerdings immer unklar. „Sero hat versucht, über die Entsorgung für private Haushalte hinaus auch das Verpackungsrecycling für Gewerbebetriebe zu übernehmen“, sagt Gunda Rachut vom Bielefelder Abfallberatungsbüro „cyclos“.
Laut Rachut haben die Abfallberater darüber hinaus festgestellt, daß „Sero keine Angaben darüber machte, wo und wie das eingesammelte Verpackungsmaterial verwertet wurde“. Das habe den „Eindruck erweckt, der Betrieb sei halbseiden“. Kunden hätten über sehr aggressive Geschäftsmethoden und massiven Druck berichtet.
Auch die Manager des Aktienfonds „Ökovision“ wußten, „daß es Ermittlungen gab“, sagt Norbert Toups von Ökovision. In dem Fonds sind Aktienwerte für 52 Millionen Mark zusammengefaßt, an denen die Sero-Papiere mit 2,4 Prozent beteiligt sind. Von Bilanzfälschungen sei allerdings nicht die Rede gewesen. Nun müßten die Vorsitzenden des Anlageausschusses für den Fonds entscheiden, ob die Sero-Aktie aus dem Fonds gestrichen wird. Bernhard Pötter
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