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Und die Großen läßt man laufen

Kritische Polizisten werfen Hamburger Landeskriminalamt Versäumnisse bei der Bekämpfung organisierter Wirtschaftskriminalität vor  ■ Von Kai von Appen

Die Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen, Martin Hernkind und Thomas Wüppesahl, haben dem Hamburger Landeskriminalamt (LKA) hochgradige Mängel bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vorgeworfen. „Diese Defizite sind methodisch und gewollt“, erklärte der kritische Wirtschaftskriminalist Wüppesahl gestern. „Allein in Hamburg entsteht dadurch jährlich ein Schaden von 30 Milliarden Mark.“

Aktueller Anlaß dieses Vorstoßes ist eine Bundestagung der kritischen Polizisten, die sich Anfang November mit dem Thema Wirtschaftskriminalität auseinandergesetzt hatte und auf der ein Positi-onspapier erarbeitet wurde. Darin flossen auch die Erfahrungen aus Hamburg ein. Nach Auffassung Hernkinds gebe es noch immer erhebliche gesetzliche Defizite, um Wirtschaftskriminelle dingfest zu machen. „Und dort, wo Gesetze fahndungspraktikabel sind, gibt es Defizite bei der Vollzugsausstattung.“

So in Hamburg: 1996 hatte Wüppesahl bereits in einem internen Brief an LKA-Chef Wolfgang Sielaff die mangelnde Ausstattung des hauseigenen Wirtschaftsdezernats angemahnt. Aufgrund von Unterbesetzung und fehlenden Computern hätten sich die „Fallakten getürmt“. Als Wüppesahls Papier an die Presse gelangte, wurde er strafversetzt. Erst seit wenigen Monaten arbeitet er wieder als Wirtschaftsfahnder. „Es gab aufgrund meines Papiers eine Arbeitsgruppe, die sich der Mißstände annehmen sollte“, erklärt Wüppesahl. „Die ist nie über die Planungsstufe hinausgekommen.“

Seither habe sich der Zustand beim LKA „nicht verbessert, sondern noch verschlechtert“. Obwohl im Wirtschaftsdezernat des LKA 200 BeamtInnen arbeiten, würden nur 40 BeamtInnen den „Kernbereich der kaufmännischen Kriminalität“, also Warentermingeschäfte, Betrügereien oder Insolvenzverfahren betreuen, moniert Wüppesahl. „Das sind hochkarätige Kollegen, die die Arbeit einfach nicht bewältigen können.“

So sei zum Beispiel der Fall des mutmaßlichen Millionenbetrügers Harksen von einer einzigen Sachbearbeiterin betreut worden, die den Fall aufgrund von Krankheit nicht mehr weiterbearbeitet. Um ein Anlagebetrugsverfahren, bei dem es Tausende von Geschädigten gebe, kümmerten sich gerade mal zwei Wirtschaftsfahnder.

An teuren Beamten kann das nicht liegen. Jede Stelle im Bereich der Finanzermittlungen, so betont Wüppesahl, trage sich selbst, da jeder Mitarbeiter durchschnittlich Schäden von 800.000 Mark aufdecke. Doch statt hier die Personaldecke aufzustocken, würden enorme Finanzressourcen gegen Schwarzarbeit und Schein–Ehen eingesetzt. Wüppesahls Vermutung: „Man will an die Großen nicht ran, weil das den Wirtschaftsstandort Hamburg gefährden könnte.“

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