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Kamera, Koran und Kalaschnikow

Arbische Organisationen in den USA protestieren gegen den Hollywoodfilm „Belagerung“, in dem Araber vor allem als Terroristen dargestellt werden, die Amerika in den nationalen Notstand treiben  ■ Aus Washington Peter Tautfest

In den USA gibt es Streit um den Hollywood-Thriller „Belagerung“ („Siege“). Dem von Kritikern als antiarabisch empfundenen Streifen wird vorgeworfen, völkerverhetzende Klischees zu befördern: „Die rassistischen Stereotypen sind so infam“, schreibt Roger Ebert in der Chicagoer Sun- Times, „wie der Antisemitismus, der die Filme und die Presse der 30er Jahre in Europa vergiftete“.

Kläger sind arabisch-amerikanische Organisationen wie der „Council on American-Islamic Relations“. Angeklagt ist Hollywood in Gestalt des Regisseurs Edward Zwick. Der Plot des Films läßt sich wie folgt zusammenfassen: In New York agiert eine unbekannte Zahl terroristischer Zellen, die nacheinander einen Bus, eine Schule, ein Theater am Broadway und die New Yorker FBI-Zentrale in die Luft jagen. Die brutalen Täter sind – na wer wohl? – Araber. Ob es sich dabei um Palästinenser oder Iraker handelt, wird nicht ganz klar. Für Regisseur Zwick scheint es sich dabei eh um ein und dieselbe Mischpoke zu handeln. Nicht nur an diesem Punkt ist seine Geschichte nicht ganz schlüssig.

Die Terroristen werden vom Chef des New Yorker FBI Anthony Hubbard (gespielt von Denzel Washington) und der Armee in Gestalt des Generals Devereaux (Bruce Willis) gejagt. Die Terrorkampagne weitet sich zum nationalen Notstand aus, so daß Präsident Bill Clinton – stets auf Meinungsumfragen reagierend – der US-Armee schließlich den Befehl zum Einmarsch in Brooklyn erteilt. Sein General Devereaux läßt alle Männer, die irgendwie arabisch aussehen, mit Szenen, die an Chile nach dem Militärputsch erinnern, in ein großes Stadion bringen. Das empört nun wieder den FBI-Mann Hubbish, den eigentlichen Helden des Films. Als Gipfel des Schwachsinns erwirkt er einen Haftbefehl wegen Freiheitsberaubung und Folter gegen den General und läßt ihn im Kreise seiner Soldaten festnehmen.

Bereits während der Dreharbeiten wurden Organisationen wie der „Council on American-Islamic Relations“ auf den Film aufmerksam. Sie traten an den Regisseur heran und baten ihn, den Plot umzustricken. Wie wäre es, wenn sich – anders als erwartet – nicht Araber als Terroristen entpuppten, sondern Milizionäre aus dem Mittlerem Westen? So war es doch auch beim Bombenanschlag von Oklahoma City, als die gesamte US-Journaille erst einmal auf arabische Terroristen tippte, bis sich zufällig herausstellte, daß der Terrorist aus dem ländlichen New York kam.

„Die Dreharbeiten waren schon zu weit vorangeschritten“, rechtfertigt Edward Zwick sein Festhalten am ursprünglichen Script. Gegen den Vorwurf antiarabischer Hetze verteidigt er sich: „Dieser Film befördert nicht Stereotypen, sondern zeigt gerade, welche Katastrophen Stereotypen heraufbeschwören.“ Arabischstämmige US-Bürger sehen das freilich anders „Der Film führt den Arabern vor, was aus ihnen wird, wenn sie sich nicht anpassen“, erklärt Khalid Mansour, Washingtoner Vertreter der Middle East News Agency, „und den Amerikanern, was sie erwartet, wenn sie die Araber im eigenen Lande nicht unter Kontrolle bringen.“ Mit keiner anderen Bevölkerungsgruppe hätte der Regisseur Zwick das machen können, empört sich Ibrahim Hooper vom „Council on American-Islamic Relations“.

Zwick weist darauf hin, daß er Araber in allen Schattierungen und Lebenslagen zeige: einfache Geschäftsleute, Hauswirte, lokale Wortführer der arabischen Gemeinde in Brooklyn sowie arabische Familien. Zudem sei der engste Mitarbeiter des FBI-Mannes in seinem Film Frank Haddad (Tony Shaloub) libanesischer Herkunft. Zwick wettert seinerseits gegen das Einklagen der „political correctness“: Alle Typen von Arabern solle er zeigen dürfen, bloß keine arabischen Terroristen? Als hätten die in New York nicht schon zugeschlagen, erinnert er an den Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 und den vereitelten Anschlag zweier Palästinenser auf eine Brooklyner U-Bahn-Station im vergangenen Jahr.

Jack Shaheen, emeritierter Professor für elektronische Medien an der University of Illinois, der die Darstellung von Arabern in US- Filmen untersucht, reiht „Die Belagerung“ in die Folge solcher Filme wie „Executive“ und „True Lies“ ein, in denen Araber Flugzeuge entführen und mit atomaren Sprengsätzen hantieren. Tony Shaloub als FBI-Agent Frank Haddad spiele die gleiche Rolle wie ehemals Sidney Poitier als Alibi-Neger.

In Brooklyn, wo der Film spielt, verteilen arabische Organisationen vor den Kinos Flugblätter. Die Mehrheit der Zuschauer interessiert sich aber für das Bild des Arabers ebensowenig wie die Anhänger von James Bond für die asiatischen Gesichtszüge bei dessen Gegnern. Das vorwiegend schwarze Publikum in einem nur mäßig besetzten Washingtoner Kino sah den Konflikt denn auch ganz anders. Es applaudierte, wann immer der schwarze Denzel Washington als FBI-Mann es dem weißen Bruce Willis zeigte. Und die paar anwesenden arabischen Zuschauer klatschten an den entsprechenden Stellen mit.

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