Kommentar: Wird der Bock Gärtner?
■ Wirtschaftsminister Müller und der Konsens mit den Atombossen
Bisher war es nur eine Schote: Mit Werner Müller, dem langjährigen Veba-Manager, als Wirtschaftsminister werde der Atomausstieg einfacher, frotzelten Beobachter in Bonn. Schließlich säße auf diese Weise bei den anstehenden Konsensverhandlungen die Stromwirtschaft an beiden Seiten des Verhandlungstisches. Nach Müllers jüngstem Spiegel-Interview ist das nicht mehr ganz so lustig.
Allen Ernstes schlägt Müller vor, über die von Bundesumweltminister Jürgen Trittin geplanten Neu- und Umbesetzungen von Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission, Bundesamt für Strahlenschutz und Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit müsse noch einmal geredet werden – nicht etwa am Kabinettstisch, sondern „in den Konsensgesprächen mit der Stromwirtschaft“. Fröhlich plaudernd erläutert der Minister, er werde mit der Stromwirtschaft „erörtern, welche Mitglieder dort künftig sitzen sollen“. In der Tat eine aufregende Aussicht. Die Strombosse besetzen die Gremien, die die Bundesregierung in Fragen der Atomsicherheit und des Strahlenschutzes beraten sollen, ab sofort selbst. Dann funktioniert die Kontrolle sicherlich um so reibungsloser.
Selbst Angela Merkel hätte es sich verbeten, die Nuklearwirtschaft zur Auswahl der Sachverständigen offiziell hinzuzuziehen, die über die Sicherheit der Atomkraftwerke wachen sollen. Es ist der Bundesregierung, genauer: dem Bundesumweltminister qua Gesetz aufgetragen, die entsprechenden Gremien zu besetzen. Niemandem sonst.
Müllers merkwürdiges Regierungsverständnis zerrt für einen Moment den Machtkampf an die Öffentlichkeit, der hinter den Bonner Kulissen schon vor der ersten realen Aktion zum Atomausstieg tobt. Und es weckt die schlimmsten Befürchtungen über die Standhaftigkeit dieser Regierung. Jürgen Trittin plant, nach Jahrzehnten der Hundert-Prozent-Pro- Atom-Mehrheiten in den Beratungsgremien, endlich auch atomkritischen Sachverstand beizuziehen, um zu einem sicherheitsorientierten Gesetzesvollzug zu kommen. Das ist nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Es beendet einen Dauerskandal. Und es steht im absoluten Einklang mit dem WählerInnenauftrag dieser Regierung. Wenn Jürgen Trittin die Zuständigkeiten jetzt nicht klarstellt, werden die nächsten Zumutungen nicht lange auf sich warten lassen. Gerd Rosenkranz
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