: Hohe Sicherheitszäune ohne Konzept
■ Wie im Parlamentsviertel die Sicherheit garantiert werden soll, ist immer noch unklar. Innensenator verweist auf Verzögerungen in Bonn. Trotzdem ist heute schon klar: Zäune auf "Handgrantenwurfweite" bes
Regieren ohne nachvollziehbares Sicherheitskonzept – nach Ansicht der Berliner InnenpolitikerInnen blüht genau das der Hauptstadt im kommenden Jahr. Denn bislang bestehen die Planungen zur Sicherheit im künftigen Parlamentsviertel hauptsächlich aus Absichtserklärungen, Dogmen der Inneren Sicherheit und Schätzungen. Ein Konzept fehlt gänzlich.
Gestern stand das geforderte Sicherheitskonzept im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses auf der Tagesordnung. Doch alles, was der neue Innensenator Eckhart Werthebach (CDU) aus der Hinterlassenschaft seines Vorgängers Jörg Schönbohm vorlegen konnte, war eine magere Formulierung von Plänen aus dem Sommer dieses Jahres: Hohe Zäune hier und dicke Poller da werden die Bonner von der Berliner Realität abschirmen. Welche Rolle die Berliner Polizei neben dem Bundesgrenzschutz (BGS) spielen wird, wieviel PolizistInnen von Berliner Seite zum Schutz der Bundesregierung zusätzlich herangezogen werden müssen und wer all das bezahlen soll, ist nicht geklärt.
Ein Trauerspiel resümiert denn auch der grüne Innenexperte Wolfgang Wieland. „Die baulichen Maßnahmen für den vorgesehenen neuen Polizeiabschnitt im Parlamentsviertel haben noch nicht einmal begonnen. Die Frage, wieviel Bewachungspersonal nötig ist und wer es bezahlt, ist völlig offen“, so faßte er zusammen. Gleichzeitig mit der Ermangelung eines Sicherheitskonzepts stellte er jedoch fest, daß vom Grundsatz der Transparenz und Bürgernähe weit abgewichen wurde. „Erst hieß es: So bürgernah wie nie zuvor. Dann erwähnte das BKA die „Handgranatenwurfweite“, also plante man fleißig Zäune. Und nun will Bundesinnenminister Schily noch diese Bannmeile.“
Die Bannmeile ist auch dem SPD-Innenpolitiker Hans-Georg Lorenz ein Dorn im Auge. „Schily will doch am liebsten ganz Berlin zur Bannmeile erklären“, ärgert sich Lorenz. Daß es angesichts solch übertriebener Wünsche kein Konzept gibt, hält Lorenz erst recht für fragwürdig. Noch nicht einmal die Übergangslösungen für die Zeit, bevor der BGS seine Aufgaben in Berlin voll erfüllen könne, seien geklärt.
Besonderen Ärger unter den Abgeordneten von CDU, Grünen, SPD und PDS verursachte die finanzielle Seite des Sicherheitskonzeptes. Wieland betonte, es gebe gar kein durchfinanziertes Konzept, CDU-Innenpolitiker Rüdiger Jakesch kritisierte vor allem die Aufteilung der Kosten zwischen Land und Bund. Es sei nicht einzusehen, sagte er, warum „das reiche Nordrhein-Westfalen besser gestellt werde als das arme Berlin. Während in Bonn der Bund derzeit 80 Prozent der Kosten für die Sicherheit übernimmt, soll Berlin nämlich nur mit 64 Prozent unter die Arme gegriffen werden. „Wir müssen mit Bonn nachverhandlen“, kündigte der Innensenator gestern dazu an. Zur Kritik an der mangelnden Konzeption verwies er auf Verzögerungen bei der Bundesregierung. Barbara Junge
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