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Deutsche Hilfe für Indonesiens Militär

Die Bundesregierung hat dem Militär und der Polizei in Indonesien Hilfe angeboten, mit der die Demokratisierung gefördert werden soll. Doch das neue Hilfsangebot ist wie frühere an keine Bedingungen geknüpft  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Die deutsche Regierung hat Indonesien Hilfe zur Reform des Militärs und der Polizei angeboten. Dies bestätigte gestern der deutsche Militärattaché in Jakarta, Georg Eschle, gegenüber der taz. Ziel der Hilfe sei es, die Reorganisation der indonesischen Streitkräfte zu unterstützen und die dortige Polizei im Umgang mit Demonstranten zu schulen. „Wir wollen beim Übergang zu demokratischen Strukturen helfen“, so Eschle. Er bestätigte damit einen Bericht der indonesischen Zeitung Suara Pembaruan. Das Blatt hatte berichtet, daß der deutsche Botschafter und der Militärattach'e bereits im November Indonesiens Präsidenten B.J. Habibie und Armeechef Wiranto ein entsprechendes Angebot unterbreitet hatten. Laut Eschle sei den Indonesiern das Bundeswehr-System der „Inneren Führung“ als Modell vorgestellt worden.

Das Auswärtige Amt bestätigte gestern nur, daß es das Treffen gegeben habe. Über weiteres sei nichts entschieden. Vom Bundesverteidigungsministerium war bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu bekommen. Nach Auskunft des Militärattachés könnte bereits im Januar oder Februar in Indonesien ein Seminar mit deutschen Offizieren als Referenten stattfinden. Bereits vor zwei Wochen hatte ein bayerischer Polizeidirektor auf Einladung der CSU- nahen Hanns-Seidel-Stiftung vor indonesischen Polizeioffizieren über den Umgang mit Demonstranten in Deutschland referiert.

„Vorstellbar wäre die Entsendung indonesischer Polizisten zu Lehrgängen in Deutschland oder das Einfliegen deutscher Polizisten, um Trainings in Indonesien abzuhalten“, so Eschle. Die Entscheidung liege jetzt bei den deutschen Ministerien. Auf die Frage, ob die deutsche Hilfe an Konditionen zur Demokratisierung gebunden sei, sagte Eschle: „Wir können doch keine Bedingungen stellen.“ Bonn habe keine Möglichkeit, Hilfe mit der Forderung nach Einschränkung der starken innenpolitischen Rolle der indonesischen Streitkräfte zu verknüpfen. Indonesiens Militär hat sich per Verfassung eine Doppelfunktion gesichert, die ihm neben der Landesverteidigung ausdrücklich eine innenpolitische Rolle zuweist. Es hält strategische Positionen im Parlament, in der Verwaltung und im Parteiapparat und ist bisher ein institutionalisierter Unterdrückungsapparat.

Den Streitkräften untersteht auch die Polizei. Spätestens seit der Machtübernahme des Diktators Suharto 1965 wird das Militär für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Indonesien und Ost-Timor verantwortlich gemacht. Seit Suhartos Rücktritt im Mai wurden jedoch nur wenige Militärs vom Dienst suspendiert, der Apparat wurde bisher nicht reformiert. Armeechef Wiranto hat bisher nur eine vage Reform der Polizei ab April in Aussicht gestellt.

Indonesiens Militär ist diskreditiert. Mitte November kam es in Jakarta zu massiven Protesten, als das noch von Suharto eingesetzte Scheinparlament eine Reduzierung der Macht der Streitkräfte ablehnte. Bei Unruhen wurden neun Studenten von Soldaten erschossen. Bereits im Mai war es zu Unruhen mit 1.200 Toten gekommen, nachdem das Militär Studenten erschossen hatte. Für die Unruhen wurde Suhartos Schwiegersohn, General Prabowo, als Hauptverantwortlicher aus dem Militärdienst entlassen. Ein Untersuchungsbericht wirft ihm vor, die Unruhen geschürt zu haben, und macht ihn für das Verschwindenlassen und die Folter von Oppositionellen verantwortlich.

Wie andere indonesische Offiziere war auch Prabowo in Deutschland ausgebildet worden. Seit 1969 gibt es ein deutsch-indonesisches Ausbildungsprogramm für militärische Führungskräfte. Deutschland ist auch wichtiger Rüstungslieferant. Allein von 1986 bis 1996 erteilte Bonn die 680 Genehmigungen für Waffenlieferungen an Indonesien. Bereits während der Suharto-Zeit war von deutscher Seite immer betont worden, daß die Förderung des Menschenrechtsgedankens und der Rechtsstaatlichkeit bei der Hilfe eine wichtige Rolle spiele.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Angelika Beer, forderte, das Hilfsangebot an Bedingungen zu knüpfen. In Indonesien müßten die Kompetenzen von Militär und Polizei getrennt werden, Sondereinheiten dürften nicht mehr gegen Demonstranten eingesetzt werden und das Militär müsse seine Parlamentssitze verlieren. Alex Flor von der Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia!“ sieht in dem Angebot eine Forsetzung der bisherigen deutschen Hilfe, mit der die Suharto-Diktatur stabilisiert wurde.

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