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Keine D-Mark zuviel für Europa

Bundeskanzler Schröder kündigt eine scharfe Wende in der Europapolitik an: Er will weniger zahlen und die Osteuropäer später in die EU aufnehmen  ■ Aus Saarbrücken Markus Franz

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat gestern mit Nachdruck klargestellt, daß Deutschland künftig die Beiträge zur Finanzierung der Europäischen Union senken wird. Beim Parteitag der SPD zur Europawahl in Saarbrücken sagte Schröder, mehr als die Hälfte der Beiträge, die in Europa „verbraten“ würden, stammten aus Deutschland. „Wir können das nicht mehr.“

In Europa, so der Bundeskanzler, herrsche offenbar die Meinung vor, europäische Krisen würden dadurch gelöst, daß die Deutschen das finanzierten. „Diese Politik ist an ihr Ende geraten.“ Die Partner in Europa müßten wissen, daß Deutschland sich das wegen der Finanzierung der Einheit nicht mehr leisten könne. Schröder forderte „eisene Haushaltsdisziplin“ auf europäischer Ebene.

Der Bundeskanzler machte auch einen Kurswechsel gegenüber der alten Bundesregierung hinsichtlich einer EU-Erweiterung deutlich. Der Prozeß der fünf Beitrittskandidaten sei so kompliziert, daß es fahrlässig wäre zu sagen, wann er beendet sei. „Es war ein Fehler“, sagte Schröder, daß Helmut Kohl Polen schon für das Jahr 2000 den EU-Beitritt versprochen habe. Zuvor hatten Redner davon gesprochen, die SPD wolle sich für „zügige“ Verhandlungen mit den beitrittswilligen Staaten einsetzen.

Schröders Vorredner hatten in erster Linie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als zentrale europäische Aufgabe herausgestellt. Parteichef Oskar Lafontaine meinte, Helmut Kohls Credo habe gelautet: Beschäftigungspolitik machen wir zu Hause. Die SPD füge an „... und in Europa“. Darauf, so Lafontaine, hätten die anderen europäischen Regierungen nur gewartet.

Für die Europawahl am 13. Juni 1999 hat sich die SPD vorgenommen, stärkste Partei zu werden. Vor vier Jahren hatte die SPD 32 Prozent erzielt. Die SPD will die Europamüdigkeit der Bevölkerung bekämpfen. Rudolf Scharping sagte, es bestehe der allgemeine Verdacht, Europa beschäftige sich mit allem, nur nicht mit dem Wichtigsten. „Wir müssen die wichtigsten Themen zu wichtigsten Tagesordnungspunkten machen“, so Scharping. Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner schlug vor, die Bereitstellung von Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsplätzen in allen EU-Ländern ähnlich verbindlich wie die Maastricht- Kriterien festzulegen. „Das wäre ein großartiger Beitrag, um die Europamüdigkeit wegzuwischen.“

Der Europaabgeordnete und Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch (SPD), der gestern auf Platz 1 der Bundesliste für die Europawahl wiedergewählt wurde, forderte, daß die Arbeit des Europäischen Parlaments stärker personalisiert werden müsse. Dann werde das Interesse an Europa größer. Zudem müsse es klare Mehrheitsentscheidungen geben. Zur Zeit könne niemand erkennen, wer was mit welcher Berechtigung beschließe.

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