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Bäume fürs Gewissen

■ Autoversicherung will zum Ausgleich des CO2-Ausstoßes durch Autos Bäume pflanzen. Umweltverbände gegen Ablaßhandel, Ford hat Interesse

Berlin (taz) – Eine Marktlücke der besonderen Art hat die Versicherungsgesellschaft „RheinLand“ entdeckt: das schlechte ökologische Gewissen der Autofahrer. Den Menschen, die sich täglich voller Skrupel hinters Steuer ihres Autos setzen, bietet die Versicherungsgruppe jetzt „CO2-Neutralität“ für ihr Auto: Für das Treibhausgas Kohlendioxid aus dem Auspuff des deutschen Autos sollen in Panama Bäume gepflanzt werden, die eine gleiche Menge CO2 binden. In der Umweltszene ist der Ablaßhandel umstritten.

Für ihr Programm arbeitet die Versicherung mit dem gemeinnützigen „Verein zur Verminderung von Kohlendioxid in der Atmosphäre“ (CO2OL) zusammen. CO2OL hat errechnet, daß ein Mittelklassewagen für Produktion und 12jährige Betriebsdauer soviel Treibhausgas ausstößt, wie durch die Pflanzen auf einer Fläche von 830 Quadratmeter Regenwald gebunden wird. Für einen Aufschlag von 980 Mark für die Kfz-Versicherung über zwölf Jahre bekommt der Autofahrer eine Plakette für die Teilnahme am Programm. „Wir verdienen daran gar nichts“, beteuert der Versicherer. Das Unternehmen mit 420.000 Kunden und einem Beitragsvolumen von einer halben Milliarde Mark hat sich schon in der Vergangenheit durch eine besonders günstige Autoversicherung für Kunden mit Bahncard hervorgetan.

Für die Kampagne hat RheinLand einen Partner gefunden, der für grüne Reputation bürgt: Die Zeitschrift Ökotest lobt das Konzept als „echte Gewinnsituation für alle“. Die Deutschen zahlten ihre Umweltschäden, der Regenwald werde wieder aufgeforstet, in Panama entstünden sozial und ökologisch sinnvolle Arbeitsplätze. Unter der Überschrift „It's cool, man!“ überwiegen in Ökotest die Argumente für den Deal die Gegenmeinungen.

Die wiederum werden lautstark von Umweltverbänden vertreten. Greenpeace bezeichnet das CO2OL-Paket als „eine Psycho- Pille, die Vielfahrern und Fans von überdimensionierten Spritsauriern das schlechte Gewissen nimmt und damit vielleicht auch den letzten Anlaß zu einer Verhaltensänderung“. Bisher sei wissenschaftlich noch nicht geklärt, ob „Aufforstungen tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, denn wieviel Kohlendioxid Wälder genau speichern können, sei noch nicht bekannt. Zudem werde das Gas später womöglich durch Brandrodung wieder freigesetzt.

Auch Burkhard Reinartz vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) empfindet einen „faden Beigeschmack“ beim Versprechen des CO2-neutralen Autofahrens: „Das geht in die falsche Richtung, weil es das Problem von der Änderung des Mobilitätsverhaltens auf eine andere Ebene verschiebt.“ Das Projekt könne als „Entsorgung des Gewissens“ verstanden werden.

Die Autoindustrie zumindest hat starkes Interesse daran, ihren ökologisch interessierten Käufern die Gewissensqualen zu erleichtern. Zwar sei „noch nichts spruchreif“, doch die Ford Werke AG denken nach Worten ihres Sprechers Michael Küch darüber nach, ihren Kunden die CO2OL-Aktion anzubieten. Ziel des Unternehmens mit jährlich gut 900.000 in Deutschland produzierten Pkws ist ein Werbefeldzug für die erste „CO2-neutrale Limousine“. Bernhard Pötter

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