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Andrea Fischer läßt Ärzte schäumen

Noch bevor das Gesundheitsgesetz von Ministerin Fischer (Bündnisgrüne) vom Bundestag verabschiedet ist, kommen aus der SPD-Fraktion Korrekturforderungen. Auch die niedergelassenen Ärzte protestieren  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Nachbessern will sie nicht. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) schließt auch spätere Korrekturen aus. Doch zuerst muß sie heute das Gesundheitsgesetz in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag bringen. Kein einfaches Unterfangen, denn in den vergangenen Tagen kamen ausgerechnet aus der SPD-Fraktion Forderungen nach einer Korrektur, und auch die niedergelassenen Ärzte laufen Sturm.

Vor allem SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler fordert, daß die Budgetierungen nachgebessert werden, mit denen die Ausgaben im Arzneimittelbereich und bei den ärztlichen Honoraren gedeckelt werden sollen. Er kritisiert die Ausgabengrenze für Arznei- und Heilmittel, sie sei zu niedrig angesetzt worden.

Im kommenden Jahr will Fischer bei den Arzneimitteln eine Milliarde Mark einsparen. In den vergangenen Jahren seien die Ausgaben hier „in einem Ausmaß gestiegen, das durch einen medizinisch begründbaren Bedarf nicht erklärt werden kann“, heißt es im Gesetzentwurf. „Es ist deshalb davon auszugehen, daß erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven bestehen“, begründet die Gesundheitsministerin ihr Vorhaben. Sie plant, das Arzneimittelbudget um 7,5 Prozent über den Ausgaben von 1996 (69,1 Milliarden Mark) festzulegen. Den Krankenkassen ist dies viel zu üppig bemessen. Um eine Milliarde Mark einzusparen, bräuchte es nur eine Steigerungsrate von vier Prozent, sagen sie. Alles darüber hinaus gefährde die Beitragsstabilität. Die Gesundheitsministerin zeigt sich von den Einwänden unbeeindruckt und will ihre Fassung unverändert vom Bundestag verabschieden lassen.

Auch die Ausgaben für Arzthonorare sollen im kommenden Jahr gedeckelt werden. Basis sind die Gesamtvergütungen von 1997 (etwa 41 Milliarden Mark). Sie werden um die Steigerung der Grundlohnsumme im Westen für dieses und kommendes Jahr angehoben, plus einem Zusatz von 0,6 Prozentpunkten. Maximal werden die Ärzte 1999 mit einem Honoraranstieg von rund 4,6 Prozent rechnen können. Ursprünglich war vorgesehen, daß die niedergelassenen Ärzte im Osten wegen ihrer geringeren Einnahmen etwas mehr Geld als ihre Westkollegen bekommen. Nun soll die Kassenärztliche Bundesvereinigung das zusätzliche Honorar für die Ostärzte aus dem Gesamttopf nehmen.

Die Ärzte schäumen über das neue Gesetz, sehen gar 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Allein die Einsparung im Arznei- und Heilmittelbereich könnte jede zweite Massagepraxis in den Ruin treiben, fürchtet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Ihr Präsident Winfried Schorre kritisiert, daß der einzelne Arzt im kommenden Jahr weniger Honorar als in diesem habe. „Und für die Ostkollegen ist das die absolute Katastrophe“, sagte er zur taz.

In Mecklenburg-Vorpommern blieben gestern stundenweise die Praxen geschlossen. In Brandenburg trommelte die Standesvertretung etwa 1.500 nach Potsdam zur Demonstration. Ärztesprecher Ralf Herre fürchtet, die Ärzte würden keine innovativen und neuen Medikamente mehr verschreiben, da sie meist teurer als die bekannten Präparate seien. Die 3.200 niedergelassenen Ärzte in Brandenburg würden nicht einsehen, warum sie „immer für alles geradestehen müssen“. In den vergangenen Jahren seien immer mehr medizinische Behandlungen von den Krankenhäusern in die Praxen verlegt worden. „Früher haben wir keine ambulanten Chemotherapien gemacht, heute macht das der niedergelassene Arzt.“ Die Aufgaben, die ein Arzt im Osten zu bewältigen habe, würden seit „Jahren nicht voll honoriert“. Herre rechnet vor, daß die Mediziner hätten seit 1993 Leistungen für 170 Millionen Mark erbracht hätten, die nicht durch Honorare abgegolten worden seien. Daß die Ausgabenbegrenzungen lediglich 1999 wirken sollen, kann Herre nicht besänftigen. Die Gesundheitsministerin habe das Gesetz mit heißen Nadeln gestrickt. „Ihr geht es nicht um Gesundheitspolitik, sie will nur sparen.“

Brüskiert fühlen sich die niedergelassenen Mediziner von Andrea Fischer ohnehin. Zwar habe man sie zur KBV-Versammlung am vergangenen Wochenende eingeladen, aber die Ministerin sei nicht erschienen. Die Gesundheitspolitik, so Herre, „hat weder Linie, noch ist sie an die Realität angelehnt“. Mit einer Resolution haben die Ärzte die Parlamentarier inzwischen aufgefordert, dem Gesetz heute nicht zuzustimmen.

Ihr Protest wird wirkungslos bleiben. Die Ärzte dürfen auch nicht auf aufmüpfige SPD-Abgeordnete hoffen. Deren Fraktionschef Peter Struck sagte gestern das Gesetz werde heute verabschiedet: „Und dabei bleibt es.“

Andrea Fischer wird es auch in der kommenden Woche nicht leichthaben. Am Freitag soll der Bundesrat dem Vorschaltgesetz zustimmen. Für diesen Tag hat die KBV abermals Proteste geplant. Dann sollen die Ärzte bundesweit ihre Praxen zusperren.

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