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Interkulturelle Kitas in Kreuzberg vor Schwierigkeiten

■ Wenn am Mittwoch der Vertrag für die neue Kitafinanzierung unterzeichnet wird, kommen vor allem kleine Träger in Schwierigkeiten. Die Kreuzberger Kita Komșu ist dafür ein Beispiel

„Wenn unsere Kinder in die Schule kommen, dann können sie deutsch“, sagt Gerd Ammann überzeugt. Ammann leitet die Kita Komșu, die in der Forster Straße in Kreuzberg seit 17 Jahren nach dem Konzept der interkulturellen Erziehung arbeitet. Diese hält Amman nach wie vor für den richtigen Weg, um den vielbeklagten Deutschschwierigkeiten ausländischer Kids beizukommen. Doch die Zukunft der Kita, in der zur Zeit 56 Kinder zwischen zwei bis elf Jahren betreut werden, ist ungewiß.

Denn Komșu, was auf deutsch Nachbar heißt, gehört bislang zu den sogenannten fehlbedarfsfinanzierten Kitas. Die Kosten, die nicht durch die Elternbeiträge abgedeckt werden, werden also vollständig vom Senat übernommen. Allein in SO 36 gibt es neun solcher fehlbedarfsfinanzierten Einrichtungen, die interkulturell und zweisprachig erziehen.

Doch der Vertrag über die künftige Kitafinanzierung, den die freien Träger und die Jugendverwaltung am Mittwoch unterzeichnen werden, schafft diese Kostendeckung ab. Dann gelten für alle Kitas dieselben Grundbedingungen (siehe Kasten). „Für uns bedeutet das knapp 20 Prozent weniger Geld als bisher“, sagt Ammann. „Und wenn es keine Übergangsregelungen gibt, stehen wir vor dem Konkurs.“

Und dann rechnet er vor: Bislang erhält Komșu für seine 56 Plätze knapp 840.000 Mark im Jahr. Nach dem neuen „Kostenblatt“, in dem die Kosten für jeden Kitaplatz nach Alter und Betreuungsumfang des einzelnen Kindes festgelegt sind, darf Komșu aber nur noch 760.000 Mark kosten — Zuschläge, zum Beispiel für den mit 50 Prozent hohen Anteil ausländischer Kids, inbegriffen. „Das liegt zum Teil daran, daß Plätze im Schülerladen – Komșu hat 17 davon – erheblich schlechter finanziert werden“, erklärt Ammann.

Von diesen 760.000 Mark muß Komșu – theoretisch – neun Prozent selbst aufbringen. Das ist der Eigenanteil des Trägers, den die neue Kita-Finanzierung vorsieht. „Aber das Geld haben wir einfach nicht, das müssen wir einsparen“, sagt Ammann. „Und damit wären wir bei etwa 690.000 Mark, ein knappes Fünftel weniger als noch in diesem Jahr.“

Dazu kommt das Problem mit den Elternbeiträgen. Denn 13 Prozent der Kitakosten sollen – rein rechnerisch – durch die Kitabeiträge der Eltern finanziert werden. Die Elternbeiträge sind gesetzlich festgelegt und an das Einkommen der Eltern gebunden. Die Konsequenz: Weil in SO 36 viele einkommensschwache Familien wohnen, deren Kinder in die Komșu-Kita gehen, bekommt Ammann durch die Elternbeiträge statt 13 nur 9 bis 10 Prozent der veranschlagten Kitakosten zusammen. „Das heißt, daß uns erst mal weitere 30.000 Mark fehlen.“ Denn der Senat gleicht die Differenz bei den kleinen Einrichtungen zwar vollständig aus – aber nicht im laufenden, sondern frühestens im darauf folgenden Jahr.

Deshalb fordert Komșu gemeinsam mit den anderen fehlbedarfsfinanzierten Kitas zweierlei: Der Senat soll den Kitas ein halbes Jahr die alten Summen weiterzahlen, damit sie Einsparungen – zum Beispiel beim Personal – überhaupt umsetzen können. Und: Er soll die Elternbeiträge im kommenden Jahr vorfinanzieren.

Sonst, befürchtet Ammann, müsse er sogar an die Stellen der ErzieherInnen ran: „Aber damit würden wir unser Konzept aufgeben.“ Bei Komșu wird jede der vier Gruppen von zwei gleichberechtigten ErzieherInnen betreut, eineR von ihnen ist deutscher, der/ die andere türkischer Abstammung. Mittel, um diese im Fall von Krankheit, Urlaub oder Fortbildungen zu vertreten, wird es im kommenden Jahr aber auf jeden Fall nicht mehr geben.

Drastisch sparen muß Ammann auch bei den Sachmitteln. „Wenn Spielzeug kaputtgeht, werden wir nichts Neues mehr kaufen.“ Und auch die Elternbeteiligung an den Kosten für das Frühstück, für Kino- oder Museumsbesuche oder Schlittschuhlaufen werden steigen. „Ein Teil der Eltern legt großen Wert auf solche Aktivitäten“, weiß Ammann aus Erfahrung, „aber ein anderer kann sich das einfach nicht leisten.“

Reinigungsfrau, Köchin und auch der Komșu-Leiter selbst müssen künftig schneller arbeiten. Die Stunden der ersten beiden werden um ein Drittel gekürzt. „Türkische Hausmannskost, deren Zubereitung zeitaufwendig ist, fällt dann weg“, sagt Ammann, der – auch das Teil des interkulturellen Konzepts – allen Kindern auch traditionelle Gerichte aus ihrer Kultur anbieten will. Ammann selbst wird künftig zusätzlich zu seiner bisherigen Arbeit die Lohn- und Finanzbuchhaltung übernehmen. Ammann: „Und wo wir sonst noch sparen könnten, weiß ich auch nicht.“ Sabine am Orde

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