piwik no script img

Zuviel Liberalismus schadet der Wirtschaft

■ Eine Analyse der asiatischen Finanzkrise kommt zu dem Ergebnis, daß mehr Regulierung sie hätte verhindern können und daß nun der Ruf nach einem Wirtschaftsblock lauter wird

Die sogenannte Asienkrise beweist nicht den endgültigen Sieg der Marktwirtschaft und ist nicht das Ende des asiatischen, nichtwestlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells, meint Heribert Dieter in seinem Buch „Die Asienkrise“. Der Wissenschaftler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg sieht die Asienkrise vielmehr als erste Krise der neuen, deregulierten und globalisierten Wirtschaft. Für Dieter sind nicht Leistungsbilanzdefizite ost- und südostasiatischer Staaten die Hauptursache der Krise. Vielmehr macht er die übereilte Liberalisierung der nationalen Finanzmärkte veranwortlich. Dies habe zur Unterschätzung der Risiken privatwirtschaftlicher Kreditaufnahmen im Ausland und von Währungsrisiken geführt. Verschärft worden sei die Krise dann vom Versagen der Märkte, die überreagiert hätten.

Japan ist für Dieter der große Verlierer der Asienkrise, die Gewinner seien China und auf den ersten Blick der Internationale Währungsfonds (IWF). Der Autor kritisiert, daß der Fonds durch die Asienkrise eine neue Bedeutung gewonnen habe, ohne daß dem Machtzuwachs eine politische Debatte vorausgegangen sei. Der IWF sei dringend zu reformieren. Weder habe er die Asienkrise vorausgesagt noch zu ihrer Stabilisierung beigetragen. So habe der Fonds noch im Oktober 1997 Süd- Korea nicht zum Kreis der Krisenländer gezählt. Doch nur zwei Monate später habe er für das Land das größte Stützungspaket seiner Geschichte schnüren müssen. Die vom Fonds verordneten höheren Zinsen und Steuern sowie gekürzten öffentlichen Ausgaben hätten die Rezession verschärft. Die Politik des IWF, dem nicht einmal die Stabilisierung der Wechselkurse gelungen sei, ist widersprüchlich: „Zwar konstatiert der IWF eine Überreaktion der internationalen Finanzmärkte, zugleich ist aber die Wiederherstellung des Vertrauens gerade dieser irrational und prozyklisch agierenden Märkte das Haupziel der IWF-Politik.“

Für Dieter hat in der Krise nicht das asiatische Modell versagt, sondern eine Reihe von Akteuren – asiatische wie nichtasiatische. Er bemängelt, daß Überschußländer nicht sanktioniert werden. Insbesondere Japan habe seine eigene Krise durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse in die Region exportiert. Schuldner und Gläubiger seien gleichermaßen für die Krise verantwortlich, die zugleich den Einflußgewinn internationaler Spekulanten und großer institutioneller Anleger wie Rentenfonds verdeutlicht habe. Als eine Abhilfe empfiehlt Dieter die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen wie die in Chile praktizierte Depotpflicht. Durch den Zwang zur Hinterlegung eines Teils der Kreditsumme bei der Zentralbank werden ausländische Kredite gegenüber inlandischen verteuert. Dies „verhindert also nicht die Integration einer Ökonomie in die Weltwirtschaft, sondern versucht an der instabilsten Stelle Schutzmechanismen zu verankern“, so Dieter.

Das Buch argumentiert pointiert und ist teilweise fast schon thesenhaft geschrieben. Bedauerlicherweise leidet der Stil unter zahlreichen technokratischen Ausdrücken. Dieters wirtschaftliche Argumentation ist insgesamt recht schlüssig, blendet jedoch leider Machtfragen aus. So sind Forderungen nach einer Reform des IWF naheliegend, doch wie sie umgesetzt werden sollen, bleibt offen. Fragwürdig sind Dieters politische Schlußfolgerungen für die Region. Er prognostiziert, daß die Krise denjenigen Kräften in Asien Auftrieb geben wird, die einen eigenen Wirtschaftsblock fordern. Dieter sieht hier insbesondere China in einer künftigen Führungsrolle. Zwar ist seine Warnung berechtigt, daß es noch längst nicht ausgemacht ist, daß sich am Ende der Krise das westliche Demokratie- und Wirtschaftsmodell auch in Asien endgültig durchsetzt. Doch Dieter vernachlässigt die große Heterogenität der Region und die zahlreichen zwischenstaatlichen Konflikte. Trotzdem ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur Diskussion über die Asienkrise. Sven Hansen

Heribert Dieter: „Die Asienkrise. Ursachen, Konsequenzen und die Rolle des Internationalen Währungsfonds“. Metropolis Verlag Marburg, 1998, 194 Seiten, 28 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen